Die Launen des Teufels
flehen, bevor sich die Pranke seines neuen Herrn um seinen Nacken schloss und dieser ihn unsanft auf die vom Regen und toten Blättern tückisch gemachte Straße stieß. Kaum hatten sie die erste Häuserecke umrundet, brachte der Glockengießer seinen Lehrling mit einem groben Ruck zum Halt, drehte ihn zu sich um und ohrfeigte ihn zweimal mit solcher Wucht, dass Bertram nach hinten taumelte und beinahe mit einer erschrocken zurückweichenden Dame zusammenstieß.
»Das als Willkommensgruß«, knurrte Conrad und packte den Jungen hart am Kinn, um ihm in die Augen zu blicken, die sich trotzig verschleierten. »Wenn du deine Arbeit ordentlich erledigst, wirst du genug zu essen und einen warmen Schlafplatz haben«, zischte Conrad. »Aber Gnade dir Gott, wenn es Grund zur Beschwerde gibt. Dann werde ich dir das Fell gerben, dass du dir wünschen wirst, niemals geboren zu sein!«
Mit diesen Worten rammte er Bertram den Zeigefinger zwischen die Rippen und gab ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen, vor ihm her zu trotten. Mit zusammengebissenen Zähnen verkniff sich der junge Mann die unkluge Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, bohrte den Blick in den Rücken einer vor ihm hereilenden Metzgerin und hing weiter seinen trüben Gedanken nach. Als er – mit der bedrohlichen Präsenz seines neuen Herrn im Nacken – nach wenigen hundert Schritten die mächtige Baugrube in der Nähe der Franziskanerabtei passierte, schluckte er trocken und schloss einige Momente lang die Augen. Wie sehr hatte er gehofft, an der Errichtung dieses Gottesdenkmals mitwirken zu können! Und wie sehr hatte er sich seit der Bekanntmachung der Entscheidung des Augsburger Bischofs ins Zeug gelegt, seine Modelliertechnik bis zur Perfektion zu verbessern! Entgegen aller Willensanstrengung rann ihm eine Träne heiß die von der unverdienten Züchtigung immer noch brennende Wange hinab. Nur noch ein Jahr und er hätte es wagen können, den Zunftmitgliedern sein Gesellenstück zu präsentieren, für das er bereits den passenden Steinblock ausgewählt hatte. Wütend trat er eine Kastanie zur Seite, die sich hüpfend und torkelnd in Richtung Judenhof davonmachte, wo sie spritzend in einer kleinen Pfütze landete. Da sein Vater ihn bereits mit zwölf Jahren in die Lehre genommen hatte, waren die drei Jahre seiner Ausbildung beinahe zu Ende. Doch das würde in Zukunft vermutlich niemanden mehr interessieren!
»Nach links«, herrschte der ihn um mehr als Haupteslänge überragende Conrad den Jungen an und bugsierte ihn in einen beängstigend schmalen Durchgang, zu dessen Seiten ein wahres Heer von Ratten das Weite suchte.
»Wenn du es dir in den Kopf gesetzt haben solltest, fortzulaufen«, brummte der Glockengießer und packte misstrauisch den Oberarm des Knaben, »dann solltest du nicht vergessen, dass ich vom heutigen Tag an das Recht über dein Leben habe.«
Die Härte, die in der tiefen Stimme des Meisters mitschwang, jagte Bertram einen kalten Schauer über den Rücken. Das kann ja heiter werden!, dachte er missmutig, angestrengt darauf bedacht, den wie Stolpersteine in den Weg ragenden Beinen der bereits am helllichten Tag Betrunkenen, die sich hier vor dem Licht verbargen, auszuweichen. Immer und immer tiefer drangen sie in das Gewirr der Sträßchen und Häuserschluchten ein, bis sie schließlich vor einem Steinhaus haltmachten, das die ärmlichen Behausungen in seiner Nachbarschaft deutlich überragte. Der Geruch, den Bertram zuerst für ein Produkt der dicht gedrängten Kamine gehalten hatte, verdichtete sich, als Conrad seinen Lehrling an der Front des Wohnhauses vorbeidirigierte, um die Ecke schob und die mit einer alten Tierhaut bezogene Tür des Seitengebäudes aufzog, aus dem ihnen ein atemberaubend heißer Pesthauch entgegenwehte.
»Steh nicht rum wie ein Ölgötze«, forderte der Gießer den Jungen verächtlich auf und stieß ihn in die lediglich von einem leichten Glühen erhellte Dunkelheit, bevor er die Tür hinter sich zuschlug. Um Atem ringend, beugte Bertram sich vor, stemmte die Hände auf die Oberschenkel und versuchte den Drang, sich zu übergeben, zu unterdrücken. Sengend heiß tastete die metallisch schwere Luft jeden Zoll seiner schmerzenden Lunge ab, die dem Knaben den Brustkorb zu sprengen drohte.
Während er noch wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappte und gegen den immer stärker werdenden Hustenreiz ankämpfte, gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis, aus der sich allmählich die Umrisse zweier
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