Die Launen des Teufels
riesenhafter Gestalten lösten. »Was habt Ihr uns denn da für einen Hänfling mitgebracht, Meister Conrad?«, höhnte einer der beiden Männer, dessen auffälligstes Merkmal seine prankenartigen Hände waren. Ein etwas kleinerer, dafür aber beinahe doppelt so breiter Geselle schob sich ebenfalls näher an den Neuankömmling heran, um diesen mit zusammengekniffenen Augen zu begutachten.
»Hier!« Mit der Linken schleuderte Conrad, den für kurze Zeit das Innere der Hütte verschluckt hatte, dem sich entsetzt umblickenden Bertram etwas vor die Füße, das sich nach flüchtiger Untersuchung als lederne Schürze nebst Gesichtsschutz herausstellte. »Du kannst die Schmelze rühren.« Mit diesen Worten versetzte er dem zögernden Knaben einen Schlag auf den Hinterkopf, der diesen dazu veranlasste, mit fliegenden Fingern in die schwere Ausrüstung zu schlüpfen, und drückte ihm eine Art metallenen Löffel in die Hand. Daraufhin wies er ihn an, sich auf das kleine Podest zu begeben, von dem aus man den etwa ein Dutzend Fuß messenden, gemauerten Tiegel erreichen konnte. Unter diesem brannte in einer Grube ein Feuer von solch gewaltiger Hitze, dass Bertram befürchtete, sein Haar könne Feuer fangen.
»Rühr das«, befahl ihm einer der Gesellen mit einem schadenfrohen Lächeln. »Göswin und ich müssen zur Donau, neues Kupfer beschaffen.«
Der blonde, beinahe quadratisch gebaute Göswin zog sich die eigene Schutzkleidung über den Kopf und wischte sich die vom Ruß schwarze Stirn. »Du musst darauf achten, dass sich keine Haut bildet«, belehrte er Bertram, dem bereits nach nur wenigen Rührbewegungen die Schultern schmerzten, etwas freundlicher.
Wie konnte eine Flüssigkeit nur dermaßen zäh sein?! Der Schweiß, der ihm sofort nach Betreten der Glockenhütte aus allen Poren getreten war, hatte sich inzwischen zu wahren Bächen gesammelt, die ihm an Rücken und Brust hinab in die engen Hosen liefen, die wie Pech an seinen Beinen klebten.
»Gewöhn dich schon mal an diese Arbeit«, feixte Anselm, der zweite Geselle, dessen rotes Haar selbst unter der dicken Rußschicht hervorblitzte, und bemerkte zu seinem Kollegen: »Wurde auch Zeit, dass endlich wieder ein Lehrling ins Haus kommt.«
Bevor die beiden die Hütte verließen, um sich Conrad anzuschließen, der sich ohne ein weiteres Wort abgewandt hatte, besann sich Göswin, trat mit einem Ausdruck auf den rauen Zügen, der einem Lächeln ähnelte, an Bertram heran und legte diesem die Hand auf die Schulter. »Wenn die ersten paar Tage vorbei sind, lässt der Schmerz nach.« Nicht sicher, was er darauf erwidern sollte, senkte Bertram die Lider und legte all seine Kraft in seinen rechten Arm, der den Rührstab führte.
Als das Geräusch des einrastenden Schlosses verkündete, dass er allein in der Glockenhütte war, ließ er trotz aller Anstrengung neugierig den Blick umherschweifen. Zu seinen Füßen befand sich ein halbes Dutzend leicht glühender, etwa zehn Zoll langer Öffnungen – der sogenannten Speiser – unter denen der Knabe die abkühlenden Glocken vermutete. Zwar wusste er nicht viel über das harte Handwerk der Gießer, doch hatte er aufmerksam den Berichten eines der Freunde seines Vaters gelauscht, als dieser vom Bau einer Kirche im weit entfernten Spanien berichtet hatte, an dem außer Steinmetzen und Zimmerleuten auch Glockengießer und Schmiede beteiligt gewesen waren.
Als er die Schmelze etwa einhundert Mal gerührt hatte, gab er auf, die Umdrehungen zu zählen, und konzentrierte sich darauf, die Muskeln in seinen Armen weniger einseitig zu belasten. Unendliche Stunden schienen verstrichen zu sein, als sich endlich wieder Schritte näherten, doch anstatt ihn von seiner Fron zu erlösen, steuerten diese ohne Umweg auf das an die Hütte anschließende Wohnhaus zu, aus dem seit einiger Zeit Stimmen zu vernehmen waren. Nachdem sich draußen inzwischen die Nacht über die Dächer der Stadt gesenkt hatte, zerschnitt nicht einmal mehr das durch die Ritzen hereinfallende Tageslicht die glimmende Düsternis, sodass Bertrams Augen mit jeder verstreichenden Minute müder wurden. Als er bereits befürchtete, trotz der ihn in regelmäßigen Abständen durchlaufenden Krämpfe einzunicken und in die etwa eintausend Grad heiße geschmolzene Bronze zu fallen, ließ ihn Göswins Stimme zusammenfahren. Ohne dass der Knabe es bemerkt hatte, waren die beiden Gesellen von ihrer Einkaufsausfahrt zurückgekehrt und hatten mit einer Schubkarre voller Kupferbarren und
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