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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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einem Bottich voller Pferdemist zum Veredeln der Schmelze bewaffnet die Werkstatt betreten.
    »Du kannst aufhören. Jetzt muss ein Fachmann übernehmen.«
    Wenngleich dem Knaben bei diesen Worten die Erleichterung durch die Glieder fuhr, benötigten seine erstarrten Finger einige Momente, um von dem mit Tuch umwickelten Griff des Rührstabes abzulassen. »Wir gießen bald. Wenn wir im Zeitplan bleiben wollen, müssen wir uns beeilen. Die Brenzer Galluskirche wartet wegen des Fehlgusses bereits seit Wochen auf ihre Glocke«, setzte Anselm, der einen bis zum Rand gefüllten Wassereimer neben einem der Speiser abgesetzt hatte, ihn in Kenntnis. Doch als Bertram mit zitternden Beinen auf die Knie fiel, um die Hände in das kühle Nass zu tauchen und seiner brennenden Kehle Linderung zu verschaffen, stieß der rothaarige Geselle ihn unsanft zurück. »Hol dir selber was!«, brummte er unfreundlich. »Das ist zum Kühlen der Werkzeuge.«
    Den Tränen der Erschöpfung nahe, kam Bertram unsicher wieder auf die Füße und blickte wie erstarrt von einem Gießer zum anderen, bis sich Göswin schließlich erbarmte, ihn um einhundertachtzig Grad drehte und auf eine kleine Seitentür zuschob, die Bertram bis zu diesem Augenblick verborgen geblieben war. »Im Hof ist ein Brunnen. Dort steht auch ein Korb mit Brot und Käse.«
    »Trödel aber nicht zu lange«, mischte sich Anselm ein, der einen Arm voll Gusspfannen aus den Halterungen an der Wand hob. »Der Tag ist noch lange nicht zu Ende.«
    Ein Stöhnen unterdrückend, schlich Bertram in die angegebene Richtung davon, trat in den vom Mondlicht leicht erhellten Hof hinaus und zuckte zusammen, als ihm die Kälte und Feuchtigkeit der Nacht wie ein Tuch ins Gesicht schlugen. Einige Atemzüge lang verharrte er regungslos und sog die sauerstoffreiche Luft ein, die das Aroma frisch gepökelten Fleisches trug, bevor er auf den Brunnen zusteuerte, dessen schwarze Silhouette sich deutlich von der hellen Steinwand des Wohnhauses abhob. Er hatte das gemauerte Rund beinahe erreicht, als er auf etwas Weiches trat, das mit einem Heidenspektakel und fliegenden Federn das Weite suchte.
    »Ein Huhn«, murmelte er kopfschüttelnd, nachdem sich sein rasender Herzschlag wieder beruhigt hatte, und griff haltsuchend nach dem groben Hanfstrick, der in der alles Licht schluckenden Öffnung verschwand. Mit schmerzenden Muskeln zog er einen halb vollen Eimer auf den Brunnenrand, tastete nach dem Korb und tauchte die hohle Hand in das eiskalte Wasser. Noch niemals zuvor war ihm das Gold der Ostalb so köstlich erschienen wie in dem Moment, in dem es beruhigend und lindernd seine kratzende Kehle hinab rann, um sich kalt und frisch in seinem Magen zu sammeln, der augenblicklich mit einem ärgerlichen Knurren protestierte. Als er den quälenden Durst so weit gelöscht hatte, dass er an etwas anderes denken konnte, schlug er das Tuch zurück, mit dem die Nahrungsmittel in dem kleinen Weidenkörbchen bedeckt waren, und langte kräftig zu. Zwar war der Käse hart und das Brot mehr als drei Tage alt, doch auch dieses einfache Mahl war mit Not und Entbehrung gewürzt. Er kaute noch, als ihn ein kurzer Pfiff aus der Glockenhütte wieder an die Arbeit rief. Gebückt wie ein alter Mann schleppte er sich zurück und nahm die Gusspfanne entgegen, die Anselm ihm in die Hände drückte.
    »Wir gießen, du füllst nach«, befahl dieser knapp.
    Drei Stunden später, als bereits die perlmuttfarbene Dämmerung heraufzog, fiel der Knabe zerschlagen auf einen der Strohhaufen in dem Schuppen, der auch die Gerätschaften beherbergte, und schloss die von dunklen Schatten umrahmten Augen. Er driftete bereits ins Reich der Träume ab, als er wie aus weiter Ferne ein Weinen vernahm, das aus dem Haus des Meisters zu kommen schien. Zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen, rollte er sich auf die Seite, zog die Beine an den Körper und fiel in einen bleiernen Schlaf.
     
     

Kapitel 4
     
    Wie jedes Jahr war auch in diesem Herbst auf den Nebel Verlass. Wie ein Schleier hing er schwer und erstickend über der Stadt und wogte von den Ufern der Donau vom Fischerviertel über den zukünftigen Münsterplatz bis in die entlegensten Ecken der Armenviertel nahe der Stadtbefestigung. Winzige Tropfen legten sich über Anabels gerötetes Gesicht, als sie kurz nach Anbruch der Dämmerung in Richtung Abtei aufbrach, um sich bei Schwester Mechthild zu melden, der an diesem Tag die Aufsicht über die Klostergärten oblag. Möglichst unauffällig

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