Die Launen des Teufels
sauertöpfisch dreinblickender, an seiner Tracht als Barfüßer zu erkennender Bruder, der ihn unfreundlich nach seinem Begehr fragte.
»Ich suche das Hospital«, erwiderte Wulf mühsam beherrscht ob dieser weiteren Unfreundlichkeit und biss die Zähne aufeinander.
»Es ist voll belegt«, brummte der Mönch, wies ihm jedoch mit einer nachlässigen Handbewegung den Weg zu einem flachen Gebäude, aus dessen Innerem gedämpfte Schreie in den Hof drangen.
Das konnte ja heiter werden!, dachte Wulf, glitt vom Rücken des Pferdes und schlang den Zügel um einen der Pfosten, die das Dach stützten, bevor er sich leicht hinkend dem Eingang näherte. Noch immer schmerzte die Stelle, an welcher der Dreschflegel des Bauern seinen Unterschenkel getroffen hatte, doch außer einem prächtigen Bluterguss würde vermutlich keine Blessur zurückbleiben. Naserümpfend umschiffte er den Berg in Leinen eingehüllter Toter, der wie allerorts von der nicht abflauen wollenden Pest zeugte. Nachdem er die beiden Stufen erklommen hatte, drückte er die Tür auf und wäre um ein Haar zurückgetaumelt, als ihm der Gestank der Siechenden ins Gesicht schlug. Dicht an dicht drängten sich bereits in der Vorhalle des Lazaretts notdürftig zusammengezimmerte Bettkästen, in denen unzählige Kranke fieberten, sich erbrachen und husteten. Kaltes Grauen erfüllte ihn, als er sich vorstellte, dass Katharina inmitten dieses Leidens und Sterbens ein Kind hatte zur Welt bringen müssen, und zum ersten Mal seit seinem Aufbruch von Katzenstein fragte er sich, ob sie überhaupt noch am Leben war.
Bevor ihm dieser Gedanke die Fassung rauben konnte, trat ein hochgewachsener, hellblonder Bruder, dessen Kutte über und über mit Blut besudelt war, auf ihn zu. Unter den wasserblauen Augen, mit denen er Wulf misstrauisch musterte, lagen tiefe Schatten, und auch die eingefallenen Wangen zeugten von schwindender Gesundheit. Ein lächerliches kleines Kinnbärtchen hüpfte auf und ab, als der Mann sich fragend an den Ritter wandte: »Wenn Ihr eine Wunde habt, die verbunden werden muss, geht nach nebenan. Falls es etwas Ernsteres ist, muss ich Euch an die Dominikaner im Osten der Stadt verweisen. Unser Lazarett ist voll belegt.«
Damit wollte er sich abwenden, ohne auf eine Antwort zu warten, doch bevor er wieder dahin verschwinden konnte, von wo er aufgetaucht war, griff Wulf nach seinem Ärmel und hielt ihn zurück. »Ich brauche keinen Arzt«, erklärte er ruhig, und obschon der Mönch ihn empört anfunkelte, ließ er ihn nicht los. »Ich bin auf der Suche nach einer Frau, die kurz vor Weihnachten hier entbunden hat«, fuhr er fort und runzelte die Stirn, als sich Verachtung in den Blick des Bruders schlich. »Es ist wichtig.«
»Ich bin sicher, dass es das ist«, schoss der Franziskaner bissig zurück und zog an seinem Ärmel, um diesen von Wulfs Griff zu befreien. »Aber da seid Ihr hier falsch.« Er zeigte nach links. »Die Wöchnerinnen befinden sich in der Obhut der Beginen. Und diese haben einen gesonderten Eingang.«
Die Gehässigkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören, doch da Wulf in Erfahrung gebracht hatte, was ihn interessierte, nickte er knapp und wandte sich zum Gehen. »Ich danke Euch«, knirschte er, bevor er durch die Tür verschwand und seinen Rappen losband. Als er kurz darauf – der Beschreibung des Torwächters folgend – das Infirmarium der Beginen erreichte, empfing ihn eine streng wirkende, mittelalte Schwester, die seine Fragen ohne Umschweife beantwortete. »Es tut mir leid, Euch enttäuschen zu müssen«, sagte sie schließlich. »Sie ist vor zwei Tagen mit ihrem Kind in eine Herberge umgezogen. Ihre Wunden waren verheilt, und wir haben die Betten dringend für die Kranken benötigt.«
Wulf stöhnte leise. »Könnt Ihr mir sagen, in welcher Herberge sie Unterkunft genommen hat?«, fragte er, doch die Begine schüttelte entschuldigend den Kopf. »Leider nein. Schwester Agnes weiß Bescheid, aber sie ist heute nicht da. Ich kann Euch höchstens einige Häuser nennen, die ihren Ansprüchen genügen könnten.«
Als er sich eine halbe Stunde später auf den Weg machte, hatte er eine Liste von zwei Dutzend Herbergen im Kopf, die er nacheinander abzuklappern gedachte. Selbst wenn seine Suche Tage dauern sollte, er würde sie finden und ihr die Beweggründe vortragen, die ihn zu der grausam scheinenden Nachricht veranlasst hatten! Wenn nötig, würde er sie auf Knien anflehen, ihm zu folgen, um sich und das Kind vor dem Zorn des
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