Die Launen des Teufels
wenigen Schlagabtäuschen einen winzigen Moment die Deckung fallen ließ, entwaffnete der Helfensteiner ihn mit einem mächtigen Streich. Bevor er sich nach der Waffe bücken und den Kampf erneut aufnehmen konnte, bohrte sich die Spitze des Schwertes in seine Brust und eine Faust packte ihn am Kragen seines Rockes. »Verschwindet, bevor ich Euch aufschlitze wie ein Schwein!«, flüsterte sein Gegner – sichtlich bemüht, sich davon abzuhalten, diese Drohung an Ort und Stelle auszuführen. »Lasst Euch niemals wieder hier blicken. Oder Euer Leben ist keinen Pfifferling mehr Wert!« Damit stieß er Wulf von sich, der vor Wut bebend sein Schwert aus dem schmutzigen Schnee aufhob und sich in den Steigbügel stemmte, um wie ein geprügelter Hund das Weite zu suchen. Gedemütigt und außer sich vor Grimm trieb er sein Reittier ans Ende der Gasse, wo er ihm freien Zügel ließ, ohne darauf zu achten, wo es hintrottete.
Fluchend fuhr er sich mit dem Handschuh über das brennende Gesicht und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Zwar hatte er Katharina schneller ausfindig gemacht als vermutet. Doch stellte diese Tatsache in Anbetracht des Empfanges, den ihm ihr Bewacher bereitet hatte, alles andere als einen Triumph dar. Wie zum Henker sollte er diesen einfältigen Trottel davon überzeugen, dass er seiner Herrin helfen wollte? Auch wenn er den Mann am liebsten in Stücke gehackt hätte, konnte er es ihm nicht verübeln, dass er die Gräfin vor dem Mann beschützen wollte, der ihr offensichtlich furchtbares Unrecht zugefügt hatte.
Er fluchte erneut. Wenn der Bericht seines Spions wahr war und es stimmte, dass Ulrich bald nach ihr schicken lassen wollte, durfte er keine Zeit verlieren! Er würde abwarten, bis der Zerberus anderweitig beschäftigt oder abgelenkt war, um daraufhin bei Katharina vorzusprechen. Wenn sie ihn nicht sehen wollte, konnte er ihr das nicht verübeln. Aber er verdiente wenigstens eine Chance, sie um Vergebung zu bitten und sein Handeln zu erklären. Mit neuer Zuversicht straffte er die Zügel und beschloss, sich ebenfalls eine Unterkunft in der Stadt zu suchen, um Beobachtungsposten vor der Goldenen Gans beziehen zu können.
Kapitel 38
Mit einem Blinzeln öffnete Bertram die Augen, als ein durch die Gitter fallender Sonnenstrahl ihn aus dem unruhigen Schlaf weckte. Wie spät war es?
Glühender Schmerz ließ ihn den Versuch aufgeben, seine Stellung zu verändern, und zurück in das stinkende Stroh sinken, das sich immer mehr mit seinen Exkrementen vollsog. Wie lange war er bereits in diesem Höllenloch?, fragte er sich ermattet, während er alle Sinne anstrengte, um seine Umgebung nach Veränderungen abzusuchen. Nach wenigen Momenten gab er jedoch auf, da alles beim Alten schien, und sich außer dem Toten und den neugierigen Ratten niemand in der Zelle befand. Entkräftet rollte er den Kopf auf dem Boden hin und her, bis das Kitzeln der ihn betastenden Schnurrhaare nachließ, und krümmte sich zu einem schützenden Ball zusammen. Er hatte Gruselgeschichten über Gefangene gehört, die in ihren Zellen von Ratten aufgefressen worden waren, doch bis jetzt hatte er diese Erzählungen immer für Märchen gehalten, die dazu gedacht waren, Kinder zu erschrecken. Was, wenn sie der Wahrheit entsprachen? Ein furchtbarer Krampf schüttelte seinen gefesselten Körper, breitete sich von seinen tauben Schultern über seinen Rücken bis in die angewinkelten Beine aus, die anfingen, unkontrolliert zu zucken. Wenngleich er sich in dem fruchtlosen Kampf um Selbstbeherrschung beinahe die Zunge durchbiss, konnte er den gequälten Schrei nicht verhindern, der ungehört in dem winzigen Raum verhallte.
Als die Marter nach einiger Zeit nachließ, tränkte seine klamme Kleidung nicht nur Urin, sondern auch der kalte Schweiß, der aus allen Poren auf einmal zu treten schien. »Herr, erlöse mich von diesen Qualen«, murmelte er kraftlos und versuchte, sich mit anderen Gedanken abzulenken, während sich die Muskeln in seinen Gliedern bereits erneut verhärteten.
Seit der Kerkermeister ihn in diese Zelle gestoßen hatte, waren ihm immer und immer wieder die Worte des Franziskaners durch den Kopf gegangen, der Conrad des Mordes bezichtigt hatte. Seine gesamte Hoffnung ruhte auf diesem Mann und dem Fackelträger, der zweifelsohne bestätigen konnte, dass es nicht Bertram gewesen war, der den Alderman getötet hatte. Doch wie sollte er diese Leute dazu bringen, für ihn einzutreten und ihn vor dem sicheren Tod zu
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