Die Launen des Teufels
kümmerlich sich Katharina nach den ersten Wochen am Hohenneuffener Hof gefühlt hatte! Verschmäht wie eine faulige Frucht, hatte sie ihre Abende damit zugebracht, zahllose Stickrahmen zu füllen, bevor der ungeschliffene, starrköpfige und gleichzeitig entwaffnend ehrliche Wulf von Katzenstein in ihr Leben getreten war. Gekommen, um den Treueid gegenüber seinem Herrn zu erneuern, hatte er einige Wochen als Gast auf der Burg des Grafen geweilt, in denen er der Gräfin bei Jagdausritten und dem Lustwandeln im Rosengarten näher gekommen war, als sein Lehnsherr es vermutlich gutgeheißen hätte.
Mit einem gedämpften Seufzen dachte Katharina an die Handvoll leidenschaftlicher Augenblicke zurück, in denen sie sich an den unmöglichsten Stellen geliebt hatten. Auf einer verborgenen Lichtung in dem die Festung umgebenden, wildreichen Wald; am Ufer des Flusses; und schließlich – einen Tag vor der Abreise des Ritters – im Stroh der Scheune eines der leibeigenen Bauern ihres Gemahls. Noch immer kroch ihr ein Prickeln über die Haut, wenn sie sich an die Berührung ihres kraftvollen Liebhabers erinnerte. Die Tatsache, dass sein Sitz kaum einen Tagesritt nordöstlich von Heidenheim lag, hatte ihre Entscheidung, sich in den ansonsten wenig aufregenden Flecken zurückzuziehen, deutlich beeinflusst. Kurz nach ihrer Ankunft hatte sie einen ihrer eigenen Männer, dem sie ihr vollstes Vertrauen schenkte, mit einer Botschaft nach Katzenstein geschickt, um Wulf von ihrer Anwesenheit in Kenntnis zu setzen. Doch dieser war unverrichteter Dinge zurückgekehrt, da sich der Burgherr zurzeit in Schwäbisch Hall befand, um wirtschaftlichen Interessen nachzugehen.
Wann er wohl endlich in die Heimat zurückkehren würde?, fragte sich Katharina sehnsuchtsvoll und unterdrückte das überwältigende Gefühl der Lust, das sie jedes Mal überkam, wenn sie an seinen muskulösen und dennoch schlanken Körper dachte, dessen Geschmeidigkeit der einer Raubkatze in nichts nachstand. Dass sie mit einem Feuer spielte, das sie im Bruchteil eines Blinzelns vernichten konnte, war ihr durchaus bewusst. Denn sollte Ulrich von der Liebschaft der beiden erfahren, würde ihn nichts davon abhalten können, Wulf entweder grausam zu Tode foltern oder entmannen zu lassen.
Eine lähmende Kälte legte sich über ihre bloßen Oberarme, und sie trat fröstelnd vom Fenster weg an die große, von silbernen Leuchtern gesäumte Feuerstelle, in der ein knisterndes Buchenfeuer tanzte. Was ihr Gemahl mit seiner ehebrecherischen Angetrauten machen konnte, reichte von Scheidung über das schändliche Verstoßen bis hin zur Tötung, da die Ehefrau in der Muntehe sämtliche Rechte verlor und in den Besitz ihres Mannes überging. Ein Zittern durchlief ihren geschwollenen Leib, und da sich in letzter Zeit viele ihrer Gemütsregungen auf das in ihr heranwachsende Kind übertrugen, überraschte es sie nicht, dass ein heftiger Tritt gegen ihre Bauchdecke sie zusammenfahren ließ.
»Dir wird nichts geschehen, mein Sohn.« Müde legte sie die Hände auf den in weiten Falten zu Boden fallenden, schreiend rot gefärbten Stoff und betrachtete wohl zum hundertsten Mal ihre Erscheinung in der auf Hochglanz polierten Oberfläche des an einer Wand befestigten Spiegels. Während ihre rotbraunen, von einem leichten Schleier zusammengehaltenen Locken wunderbar mit dem Ton des Gewandes korrespondierten, ließ die kräftige Farbe ihren blassen Teint ungesund und fahl erscheinen, woran auch das kleine Nest Sommersprossen auf ihrer schmalen Nase nichts ändern konnte. Die leicht schräg gestellten, bernsteinfarbenen Augen wirkten glanzlos, und selbst die beiden Teufelsfenster – die seitlichen, weiten Öffnungen ihres Obergewandes, durch die man einen aus Sicht der Kirche wenig sittsamen Einblick gewann – konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Schönheit nicht von unbegrenzter Dauer sein würde. Zwar war sie bei ihrer Vermählung mit Ulrich weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus besungen worden, doch wie lange würde es dauern, bevor der wankelmütige Zeitgeschmack sich ein neues Ideal auserkor, dem die adeligen jungen Frauen nachzueifern versuchten?
Resigniert nestelte sie an dem breiten, perlenbestickten Stoffgürtel, der locker auf ihrer Hüfte lag, und griff nach dem zuvor auf dem Tisch abgestellten Weinkelch, dessen Inhalt dunkel und ölig lockte. Auf ihren ausdrücklichen Befehl hin hatte ihre Dienstmagd sie in dem mit männlichen Trophäen überladenen Raum allein
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