Die Launen des Teufels
gelassen, und solange der Frieden und die Ruhe vorherrschten, wollte Katharina sie genießen. Zu bald würden ihr Vater und zwei ihrer Brüder von der Jagd im die Festung umgebenden Forst zurückkehren und mit ihrem Gebrüll und dem Gebell der Hunde die Stille vertreiben. Wenn doch nur ihre Mutter noch am Leben wäre!, dachte sie sehnsüchtig. Dann müsste sie sich nicht tagtäglich die bitteren, verletzenden Worte ihres Vaters, des Grafen Johann von Helfenstein, anhören, der keinerlei Verständnis zeigte für die Verfehlungen seiner Tochter. Da ihm neben dem Heidenheimer Sitz noch die nahe gelegenen Festungen Kaltenburg und Güssenburg zur Verfügung standen, hielt er sich die meiste Zeit von Katharina fern – beinahe als fürchte er, ihre Schande könne auf ihn übergehen und seine reine Seele beflecken.
Sie lachte freudlos. Als ob er jemals gewusst hätte, was das Wort Unschuld bedeutete! Hatte er nicht kurz nach dem Tod ihrer Mutter seine Untertanen mit einer Tat von solch bestialischer Grausamkeit erzürnt, dass es eine Zeit lang danach ausgesehen hatte, als wollten die Leibeigenen sich gegen ihn auflehnen? War seine Seele nicht bis in alle Ewigkeit ein Preis des Teufels?
Mit einem angeekelten Ausdruck auf dem Gesicht versuchte sie, die Erinnerung an die Schändung der kaum zehn Jahre zählenden Bauerntochter zu verdrängen, deren Schreie immer noch durch ihre Albträume gellten. Übermütig und trunken von Mordlust waren ihr Vater und einer ihrer Onkel eines trüben Wintertages von der Jagd zurückgekehrt, doch dieses Mal waren die über die Sättel der Lasttiere gebundenen Hirsche und Rebhühner nicht die einzige Beute gewesen, die sie von ihrem Ausritt mitgebracht hatten. Dessen Weinen und Flehen ignorierend, hatten sie ein anmutiges, beinahe weißblondes Kind auf den schlammigen Boden geschleudert, wo dieses wie eine zerbrochene Gliederpuppe liegen geblieben war. Katharina, die damals selbst gerade erst ihren sechsten Geburtstag gefeiert hatte, hatte mit weit aufgerissenen Augen die Nase an den Gitterstäben des Stalles platt gedrückt und ihr Geschenk – ein lammfrommes Schimmelpony – vergessen. Sprachlos und entsetzt hatte sie mit angesehen, wie ihr Vater das hilflose Mädchen an Ort und Stelle geschändet hatte, sodass sich ihr hellbraunes Kittelkleid innerhalb weniger Sekunden rot färbte, um es nach der eigenen Befriedigung an seine Männer weiterzureichen. Sicher, dass sie sich eine furchtbare Tracht Prügel für den verbotenen Aufenthalt in den Stallungen einfangen würde, hatte Katharina ihn niemals wissen lassen, was sie gesehen hatte. Doch wenn er weiterhin den Stab über sie brach, würde sie sich nicht mehr lange zurückhalten können!
Als schließlich das Klappern der Hufe verriet, dass sich die Jagdrösser den Anstieg zur Zugbrücke hinauf kämpften, griff sie nach dem über einem Stuhl abgelegten Mantel, warf ihn sich um die Schultern und machte sich auf den Weg in ihre im dritten Stock gelegenen Gemächer, die sie an diesem Tag nicht mehr zu verlassen gedachte. Wenn am morgigen Samstag die Männer nach Hürben zurückkehrten, um sich auf die Kaltenburg zurückzuziehen, würde sie einen weiteren Versuch unternehmen, ihren Geliebten zu erreichen. Denn wenn ihre Vermutung zutraf, würde Wulf zusehen, dass er auf seiner Heimatfestung eintraf, bevor der erste Schnee fiel. Und da Allerheiligen nicht mehr fern war, stieg die Wahrscheinlichkeit, morgens inmitten einer verschneiten Traumlandschaft aufzuwachen, täglich. Das durch die nicht verschlossenen Fenster des Treppenhauses an ihr Ohr dringende Toben der Schaulustigen, welche zweifelsohne der Hinrichtung des Verurteilten beiwohnten, ließen sie ihre Schritte beschleunigen und mit einem erleichterten Aufatmen die schwere Tür ihrer Kammer hinter sich ins Schloss ziehen. Einige Augenblicke lang nahm sie die vertraute Umgebung in sich auf, bevor sie den Mantel ablegte, die Schnürung um ihre Taille lockerte und ihr Haar von dem Schleier befreite. Wie immer hatte ihre Zofe dafür gesorgt, dass das Feuer kräftig brannte und sich eine Schüssel getrockneter Trauben, Äpfel, Birnen und geschälter Nüsse auf dem kleinen Tischchen befand, das auf wackeligen Beinen dem unebenen Dielenboden trotzte. Gierig tauchte sie die Hand in die dank der Nähe zum Kamin leicht temperierten Früchte und genoss den würzigen Geschmack, der sich auf ihrer Zunge ausbreitete. Kauend zog sie das Liebespfand des forschen Ritters unter ihrer Matratze hervor und
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