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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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schillernden Kirschscheiben zu kosten, hastete Anabel den anderen Hilfskräften hinterher, die sich einer Schar Gänse gleich über den von Fackeln erleuchteten Hof dem Haus des Ordensvorstehers näherten. Dort wurden sie von einem Mönch empfangen, der sie in das erste Stockwerk scheuchte, in dem ein Nebenraum für die Speisen vorbereitet worden war. Lange, auf Böcken ruhende Tische liefen an den makellos weißen Wänden entlang, und ein geistesgegenwärtiger Bruder hatte kleine Warmhaltevorrichtungen entzündet, auf denen die dampfenden Platten abgestellt werden konnten. Ohne auf einen Befehl zu warten, wischte ein halbes Dutzend Bediensteter die tiergestaltigen Wasserkannen, Handbecken und Tücher von der Ablage und eilte in den Speiseraum, aus dem ein Gewirr aus tiefen Stimmen an Anabels Ohr drang. 
    »Die hohen Herren warten schon!«, stieß der für die Organisation zuständige Barfüßer aufgeregt hervor und fiel bei der Bemühung, die Novizen und Helfer zu koordinieren, beinahe über seine eigenen Füße. »Tragt auf!«
    Als Anabel mit dem Bier folgen wollte, hielt er sie am Ärmel ihres Rockes zurück und befahl: »Du noch nicht. Die Getränke erst, wenn die Speisen vorgelegt sind.«
    Mit einem verwunderten Hochziehen der Brauen stellte die junge Frau die schweren Krüge wieder ab und ließ den Blick über das Festmahl wandern. Mit den Mengen, die der Camerarius hatte zubereiten lassen, könnte man Hunderte von Armen und Bedürftigen speisen, schoss es ihr durch den Kopf, doch die Rückkehr der Novizen ließ sie in Habachtstellung gehen.
    »Helft ihr mit den Krügen, dann seid ihr entlassen«, wies der Bruder die Knaben an, die mit hungrigen Augen die zurückgebliebenen Leckereien verzehrten. Ein Großteil der Köstlichkeiten war zwar bereits nach nebenan verschwunden, doch lockten die noch nicht benötigten Gänge mit dampfenden Fingern, was einige der Novizen dazu veranlasste, trocken zu schlucken.
    »Wartet im Erdgeschoss«, befahl der Franziskanermönch, sobald sie ihre Aufgabe erledigt hatten, und vertrieb sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Ihr werdet gerufen, wenn man euch braucht.«
    Als die Tür hinter dem letzten braun gewandeten Rücken ins Schloss gefallen war, gab er Anabel zu verstehen, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. Während ihr das Herz in der Kehle hämmerte, bemühte sich das Mädchen, ohne allzu offensichtliches Zittern die letzten der unzähligen Krüge in den von mannshohen Silberleuchtern in taghelles Licht getauchten Speiseraum zu tragen.
    Beim Anblick der an einer ovalen Tafel versammelten, in farbenfroh leuchtende Gewänder gekleideten Oberen der Stadt stieg Beklemmung in ihr auf. Sie erkannte sowohl den mit dem Stadtwappen geschmückten Bürgermeister, als auch einige der Zunftältesten und Ratsmitglieder, die oft von dem kleinen Balkon des Rathauses aus zu den Bürgern sprachen. Viele der Beginenschwestern und Franziskanernovizen stammten aus den einflussreichsten Häusern, von denen sie sich entgegen aller demütigen Eide niemals ganz zu lösen schienen. Was dazu führte, dass Anabel sich immer und immer wieder Geschichten und Erzählungen über den Ruhm der einzelnen Familien anhören musste. Den Wappen auf ihren kurzen Röcken nach zu urteilen handelte es sich bei etwas mehr als der Hälfte der Anwesenden um Mitglieder des durch den Kleinen Schwörbrief zwar geschwächten, aber keineswegs entmachteten Patriziats, wohingegen der andere Teil den immer einflussreicher werdenden Handwerkszünften angehörte. Außer Schwester Marthe Ehingers Angehörigen, deren tiefrotes, mit zwei gekreuzten goldenen Stäben geschmücktes Wappen wie all die anderen am Rathaus aufgezogen war, waren sowohl Mechthild von Gerhusens, Adelheid Grecks und Meisterin Guta Staigers männliche Verwandte anwesend.
    »Nehmt Ihr neuerdings auch Weiber in Euren Orden auf, Franciscus?«, scherzte einer der Männer, der mit einem anzüglichen Lächeln Anabels Ärmelrock nach den sich darunter verbergenden Rundungen absuchte. »Komm schon, es wird dich niemand beißen.«
    Schallendes Gelächter quittierte diesen Ausspruch, und während Anabel flammende Röte in die Wangen stieg, zwang sie sich, auf unsicheren Beinen in den Raum vorzudringen und Hilfe suchend zu Franciscus zu blicken. Ohne die Miene zu verziehen, breitete der Abt die Hände aus und deutete mit dem Kopf in Richtung Bürgermeister, der Anabel mit einem schelmischen Ausdruck den moosfarbenen Waldglasbecher entgegen hielt.
    Um das

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