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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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feuchte Stirn wiesen darauf hin, dass es ihr nicht unbedingt besser ging als vor zwei Tagen.
    »Sie hat Ausfluss«, erklärte Marthe etwas gnädiger und hob das von hässlichen grün-gelben Flecken verunstaltete Laken, um Anabel das beschmutzte Nachtgewand der Patientin zu zeigen. »Wenn sie nicht innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden Besserung zeigt, kann ihr nur noch Gott helfen.«
    »Was wisst Ihr schon von dieser Krankheit?«, ertönte unvermittelt die Stimme des Infirmarius Paulus in ihrem Rücken, und sowohl Anabel als auch Marthe Ehinger wirbelten erschrocken herum. Ein bereits blutbesudeltes Tuch über dem Arm, ließ sich Paulus von dem wie ein Schatten an seinen Fersen klebenden Tonsor eine mit getrübtem Wasser gefüllte Schüssel reichen, in der er sich nachlässig die Hände wusch. »Geht zur Seite, ich muss sie untersuchen. Hätte man mich nicht davon abgehalten, sie zur Ader zu lassen, wäre es niemals so weit gekommen!« Ohne auf Schwester Marthes schwachen Protest zu achten, drängte er die Frauen beiseite, baute sich vor der Kranken auf und schob unzeremoniös deren Röcke nach oben, sodass ihre Scham für alle sichtbar war. 
    Als sie den blutigen Schleim erblickte, der an den Innenseiten der wächsernen Schenkel hinabrann, zog Anabel entsetzt die Luft durch die Nase. Mit groben Handgriffen zwang Paulus die Beine der Kranken, die mit einem Wimmern aus dem unruhigen Schlaf aufschreckte, auseinander und fuhr mit drei Fingern in sie hinein, um diese kurze Zeit  später wieder hervorzuziehen. Das Schreien der Patientin ignorierend, wiederholte er die Prozedur, bis sich unter ihrem Gesäß eine etwa einen Zoll tiefe Lache aus dickflüssigem, blutigem Eiter gebildet hatte, die er mit einem kritischen Blick untersuchte. Nachdem er sich die Hände an dem schmutzigen Tuch abgewischt hatte, schüttelte er den Kopf und beschied nüchtern: »Ihr solltet ihren Gemahl informieren.« Damit schob er den Tonsor weiter zum nächsten Lager, auf dem sich eine arme Gerberin mit ähnlichen Symptomen in den Kissen wand. Als auch ihre Schmerzensschreie zu einem Wimmern abgeflaut waren, strich er den Eiter am Bettlaken der Kranken ab und murmelte missfällig: »Dieses Kindbettfieber scheint sich zu einer Epidemie auszuweiten.« Er bekreuzigte sich. »So bestraft Gott die Sündigen.« Damit verschwand er in den nächsten Raum, in dem das Gebrüll der verletzten Arbeiter verriet, dass er dort mit ähnlichem Feingefühl vorging.
    »Wie kann er nur so herzlos sein?«, flüsterte Anabel, doch Marthe, die sich nach einem letzten Blick auf die halb besinnungslose Wöchnerin erhoben hatte, schüttelte lediglich den Kopf. »Eines Tages wird Meisterin Guta etwas dagegen unternehmen müssen.« Was genau das sein sollte, behielt sie jedoch für sich. Als sie verschwunden war, und der nach Kot und verfaultem Fleisch stinkende Raum nur noch vom Flackern der halb herabgebrannten Kerzen und dem Stöhnen der Kranken belebt wurde, versank Anabel in düsteres Grübeln. Seit ihr Vater ihr im Alter von sechs Jahren mitgeteilt hatte, dass ihre Mutter an ebendieser Krankheit gestorben war, hatte sie sich geschworen, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um eine Schwangerschaft zu vermeiden. Doch offensichtlich war die Theorie einfacher als die Praxis.
    Bei dem Gedanken an ihre Mutter trübten sich ihre Augen mit Tränen. Da sie die aus dem nahe der französischen Grenze gelegenen Straßburg stammende Tochter eines Schiffszimmermanns nur aus Conrads wenig ergiebigen Erzählungen kannte, hatte sie sich im Laufe der Jahre ein idealisiertes Bild von ihr erschaffen, vor dem jede Realität verblassen musste. Von dem jungen Glockengießergesellen umgarnt und verführt, hatte Anabels Mutter ihre Familie verlassen, um in Ulm eine eigene zu gründen. Doch schon die Geburt ihres ersten Kindes hatte diesem Traum ein abruptes Ende gesetzt. Manchmal fragte sich Anabel, ob Conrad sie so sehr geliebt hatte, dass er den Anblick seiner Tochter nicht ertragen konnte, weil diese seiner Gemahlin den Tod gebracht hatte. Doch an anderen Tagen fragte sie sich, ob ihr Vater überhaupt jemals irgendjemanden geliebt hatte, außer sich selbst.
    Stunden schienen vergangen, als sich plötzlich die Haare in ihrem Nacken aufrichteten und sie sich mit einem gepressten Laut umwandte, um gerade noch zu sehen, wie der Abt Franciscus die in den Hof führende Tür mit katzengleicher Geschmeidigkeit verriegelte.
    »Vater«, stotterte Anabel und kam verwirrt auf die

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