Die Launen des Teufels
nach scheinbar endlosem Ringen aus dem Menschenknäuel befreit hatten, das auf die abgesteckte Schützenwiese zueilte, wo die ersten Armbrustschützen bereits auf den als Ziel aufgestellten hölzernen Vogel anlegten. »Dort drüben ist es ruhiger.«
Hand in Hand schlenderten sie auf eine weit ausgreifende, dicht an den Gottesacker angrenzende Weide zu, deren dürre gelbe Blätter noch genug Schutz vor den neugierigen Augen der anderen Kirchgänger boten. Sobald der Schatten der Äste sie verschluckt hatte, hielt Bertram inne, drehte Anabel zu sich um und beugte sich ohne weitere Worte zu ihr hinab, um ihr einen solch sanften Kuss auf die Lippen zu drücken, dass sie benommen vor Glück die Augen schloss. Warm und rau legte sich sein Mund auf den ihren, der sich erwartungsvoll öffnete, um ihn scheu zu empfangen. Seine Hände wanderten zärtlich ihren Rücken hinauf, liebkosten ihren Hals, um sich schließlich in ihr Haar zu graben und sie näher an sich zu pressen. Immer leidenschaftlicher wurde der Kuss, bis sich Anabel schließlich keuchend von ihm löste, seine Hand an die Lippen führte und wisperte: »Ich hätte niemals gedacht, dass es so wundervoll sein kann.« Ein leichter Schweißfilm glänzte auf ihrer Oberlippe, und auch Bertrams Erregung zeichnete sich deutlich auf seinen Zügen und unter seinem kurzen Hemdrock ab.
»Anabel«, erwiderte er nach einigen unregelmäßigen Herzschlägen, in denen er den Blick zu der stark bewachten Stadtmauer wandern ließ, heiser. »Komm mit mir.« Seine Stimme wirkte belegt, und die Kühnheit der Idee ließ ihn leicht zittern. »Lass uns in einer anderen Stadt unser Glück versuchen.« Kaum hatten diese Worte seinen Mund verlassen, errötete er heftig und senkte den Blick. »Verzeih mir«, setzte er nach einigen Sekunden des Schweigens hinzu und nahm ihre Hände in die seinen. »Ich habe kein Recht, dich darum zu bitten.« Seine Augen füllten sich mit Tränen der Verzweiflung. »Du bist eine freie Bürgerin, aber ich …« Einer der glitzernden Tropfen löste sich und rann die Wange hinab.
»Nein«, beschwichtigte sie ihn mit einem zarten Kuss auf das noch bartlose Kinn. »Ich würde mit dir bis ans Ende der Welt gehen.« Sie schluckte trocken, da der Sturm der Gefühle, der in ihr tobte, stärker war als alles, das sie bisher erfahren hatte. »Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir keinen einzigen Gulden besitzen«, wandte sie schließlich seufzend ein, auch wenn sie am liebsten alle Notwendigkeiten und Zwänge in den Wind geschlagen und seinem Vorschlag zugestimmt hätte. »Wovon sollten wir leben?«
Eine Zeit lang hing diese Frage unbeantwortet in der Luft, bevor er betreten nickte. Dieses Problem hatte er im Eifer des Gefechtes nicht bedacht.
»Ich könnte mir einen Meister suchen und meine Ausbildung als Steinmetz beenden«, schlug er schließlich vor, doch Anabel schüttelte traurig den Kopf. »Conrad würde dir die Wache auf den Hals hetzen. Wir würden es niemals schaffen, ein Jahr und einen Tag unentdeckt in einer anderen Stadt zu leben.« Und somit hätte Bertram niemals die Chance, seine Freiheit wiederzuerlangen, dachte sie mutlos. »Wir müssen geduldig sein«, setzte sie hinzu. »Ich werde versuchen, mehr zu arbeiten und etwas Geld zur Seite zu legen.« Auch wenn dies bedeutete, dass sie die Nächte im Kloster zubringen musste! Doch das war ihr gleichgültig, denn nur wenn man eine Reichsstadt mit den entsprechenden Mitteln betrat und nicht als Bettler oder Tagelöhner auffällig wurde, konnte es gelingen, den wachsamen Augen des Ammans oder des Stadthauptmannes zu entgehen. »Dann könnten wir uns im Frühjahr einem der Handelszüge nach Augsburg anschließen.« Wenn die Schutzgebühr entrichtet wurde, stellte keiner der Händler, die ihre über Land ziehenden Güter mit einem Aufgebot Bewaffneter schützten, unangenehme Fragen.
Mit einem wehmütigen Ausdruck schloss Bertram die Arme um sie und legte das Kinn auf ihren Schopf. »Ich liebe dich«, flüsterte er. »So sehr, dass ich vor nichts mehr Angst habe, als dich wieder zu verlieren.« Ein gepresster Laut entrang sich seiner Kehle, und Anabel ließ ebenfalls den zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. Das Wechselbad der Gefühle, das sie in den vergangenen Minuten von liebestaumelnder Glückseligkeit in bodenlose Verzweiflung gestürzt hatte, raubte ihr die Fassung.
»Ich liebe dich auch«, weinte sie in seine Hemdbrust. »Und ich will lieber nie wieder schlafen, als dich weiter in den Händen
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