Die Launen des Teufels
mein Vater mich nach Heidenheim gerufen hat, benötigt noch einige Wochen zur Klärung. Da es sich um mehrere nach Jahren überraschend aufgetauchte Hinterlassenschaften meiner verstorbenen Mutter handelt, bitte ich Euch, mich nicht zu drängen. Die Freude darüber, längst verloren geglaubte Zeugnisse von ihr in Händen zu halten, wollt Ihr mir sicherlich nicht verderben.
Ich weiß, dass Euch mein Wohlergehen am Herzen liegt. Deshalb wage ich es, Euch ein weiteres Mal um mehr Zeit zu bitten.
Eure gehorsame Gemahlin
Katharina«
Die Scham darüber, ihre Mutter als Vorwand für ihr Verweilen auf der Burg Helfenstein heranziehen zu müssen, ließ Katharina die Hitze in die Wangen steigen. Doch da bei Umbauarbeiten am Palas tatsächlich einige zwischen die Bodenbretter gerutschte Habseligkeiten zutage gekommen waren, entsprach diese Begründung wenigstens zum Teil der Wahrheit. Versonnen drehte sie den mit einem flachen, dunkelroten Granat geschmückten Ring an ihrem Finger, der eines der vielen Erbstücke darstellte, die ihr bei ihrer Heirat mit Ulrich überreicht worden waren.
Nachdem sie das Schriftstück einige Zeit lang untätig angestarrt hatte, faltete sie es zweimal, griff nach dem Siegelwachs und drückte das Siegel des Hauses Württemberg in die weiche Masse. Mit einem entschlossenen Zug um den schönen Mund stemmte sie sich in die Höhe, läutete nach ihrer Zofe und befahl ihr, dem Boten die Nachricht zu übergeben. »Sag ihm, ich werde ihn auch morgen nicht empfangen können.«
Damit hoffte sie, alles getan zu haben, um ihn auf den Weg zurück nach Hohenneuffen zu schicken, wohin Ulrich sicherlich in einigen Tagen zurückkehren würde. Da er mit seinem Bruder Eberhard seit dem Tod ihres Vaters Ulrich II. im Streit um die Teilung des Landes lag, würde er zwar vermutlich nicht in der Stimmung sein, ihrer Bitte zu entsprechen, doch verschaffte ihr die Botschaft wenigstens etwas mehr Zeit.
Wer weiß, dachte sie hoffnungsvoll, vielleicht lenkt die Auseinandersetzung mit Eberhard ihn so sehr ab, dass er meine Abwesenheit vergisst. Ein säuerliches Lächeln verzog ihren Mund. Wenn ihr Schwager den Druck auf Ulrich weiter erhöhte, würde dieser der Forderung seines Bruders nicht mehr lange widerstehen können und dem von diesem bereits mehrmals vorgelegten Hausvertrag zustimmen müssen. Womit er die Unteilbarkeit Württembergs bestätigen und seine Niederlage eingestehen würde.
Mit einem Blinzeln vertrieb sie den Gedanken an die politischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regenten und trat an eines der vier mit kostbarem Bleiglas geschmückten Fenster, die den Blick auf den Innenhof freigaben. Dort stritten sich gerade ihre beiden Brüder um einen feurigen Schimmelhengst, der neben einer Rappstute und einem staksigen Einjährigen die neueste Errungenschaft ihres pferdevernarrten Vaters darstellte. Hugo, der ältere der beiden, stieß soeben dem rotwangigen Karl rüde die Hand vor die Brust, um diesen zum Rücktritt zu zwingen. Wie gewöhnlich brauste dieser spornstreichs auf, fuhr mit der Hand zum Schwertknauf und warf seinem Bruder einige Beleidigungen an den Kopf, die Katharina selbst im zweiten Stock der Festung deutlich vernahm.
Wann sich die beiden wohl endlich wie erwachsene Männer benehmen lernen?, dachte sie resigniert, während sie beobachtete, wie sie dazu übergingen, sich wie halbwüchsige Knaben zu balgen. Innerhalb weniger Momente waren ihre modischen Schnabelschuhe, kurzen Röcke und farbenprächtigen Mäntel über und über mit Schlamm verschmiert, und mit einem Kopfschütteln trat sie zurück in den Raum, um sich den Rest zu ersparen. Das aufgeregte Gekläff der Jagdhunde begleitete den Kampf, und während Katharina es sich nahe am Kamin auf einer Sitztruhe gemütlich machte, gesellten sich die tiefen Stimmen der Knechte und Wachmänner zu dem Durcheinander. Sie hatte gerade die von der Ankunft des Boten unterbrochene Handarbeit wieder aufgenommen, als ihre Zofe zurückkam und ihr mit einem tiefen Knicks mitteilte: »Er ist fort.«
Da sie eine der wenigen Vertrauten der Gräfin war, die die volle Wahrheit über ihre Schwangerschaft kannten, stand auch ihr die Erleichterung deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ihr solltet Euch ausruhen«, riet sie, nachdem sie vor der Feuerstelle auf die Knie gefallen war und einige Scheite nachgelegt hatte. »Denkt an die Warnung der Heilerin.«
Mit einem gehorsamen Nicken legte Katharina die Stickerei zur Seite, schob die Kissen in
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