Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Feigheit und Unentschlossenheit Widerstreit hielten, zog sie sich ein weiteres Mal die noch nasse Kapuze über den Schopf und öffnete die Tür, um den immer aufgebrachter wütenden Elementen die Stirn zu bieten.
    Als sie wenig später in die Gasse einbog, an deren Ende die Glockenhütte dunkel und leblos dem Regen trotzte, ruhten zehn Silberpfennige in ihrer Rocktasche. Bis auf die Fensterläden im ersten Stock, hinter denen sich Conrads und Gertruds Schlafkammer befand, lagen alle Räume im Dunkeln. Doch als Anabel sich durch den Hof in die Küche stahl, vernahm sie über ihrem Kopf das Poltern eines umfallenden Schemels. »Nicht, Conrad«, hörte sie Gertrud erstickt flehen, doch ein weiterer krachender Laut ließ sie vermuten, dass ihr Vater wieder betrunken und angriffslustig war.
    »Ich sagte: Zieh dich aus!«, brüllte der Gießer, sodass es vermutlich die gesamte Nachbarschaft hören konnte, und als Gertrud dem Befehl offensichtlich nicht sofort Folge leistete, jagte der Laut eines auf dem Boden aufschlagenden Körpers Anabel einen Schauer über den Rücken. »Soll ich dich etwa auch dafür bezahlen?«, höhnte Conrad, und kurz darauf übertönte ein rhythmisches Klopfen das Schluchzen seiner misshandelten Gemahlin.
    Bebend vor Zorn und Empörung schlüpfte Anabel in die Küche, zog die Tür zu und angelte ihren Lohn aus der Tasche, um ihn auf den Tisch zu legen, sodass ihr Vater ihn am nächsten Morgen sofort finden würde. Wenn Gertrud ihn doch nur auch endlich hassen würde!, dachte sie grimmig. Doch anstatt seine Gewalttätigkeiten anzuprangern, entschuldigte sie den Gießer immer und immer wieder vor ihren Kindern und ihrer Stieftochter. Mit düsteren Gedanken machte Anabel sich bettfertig und schlich in die Schlafkammer, wo sie sich fröstelnd die Decke bis ans Kinn zog.

Kapitel 10
     
    Der Sonntagmorgen dämmerte grau und trostlos. Das eintönige Prasseln zu ihrer Rechten verriet Anabel, dass der Regen immer noch unablässig auf das leicht abschüssige Vordach des Werkzeugschuppens fiel, in dem Bertram nächtigte, und erneut übermannten sie bei dem Gedanken an ihn die Gefühle. Wie konnte es möglich sein, dass ein wildfremder junger Mann, den sie bisher lediglich zweimal zu Gesicht bekommen hatte, ein solches Durcheinander in ihr hervorrief, das sie an ihrem Verstand zweifeln ließ?, fragte sie sich. Und wie ließ sich das Hämmern ihres Herzens erklären, das eine solche Enge in ihrer Brust auslöste, dass die Befürchtung in ihr aufkeimte, an einer Vergiftung der Körpersäfte zu leiden?
    Mit einem leisen Seufzer wischte sie diese nagenden Fragen beiseite, flocht das Haar zu einem dicken Zopf und band die kleine Haube, die sie als lediges Mitglied des Bürgerstandes auswies. Da das Aroma des von Gertrud zubereiteten Frühstücks sie zur Eile drängte, rüttelte sie ihre drei Geschwister wach und trat in die Küche, in der sich Conrad bereits in voller Tracht über eine riesige Schüssel Hirsebrei hermachte. Mit einem gleichgültigen Hochziehen des linken Augenlids quittierte er das Eintreten seiner ältesten Tochter und fuhr erneut mit dem Holzlöffel in den dampfenden Brei. Die zehn Pfennige, welche Anabel nach ihrer Heimkehr auf dem Tisch abgelegt hatte, waren bereits in seiner Geldkatze verschwunden, und auch an diesem Tag hielt er es nicht für nötig, ihren Beitrag zum Hauswesen zu kommentieren.
    Da die beiden Gesellen zwar unter der Woche im Haus des Gießers speisten, jedoch entgegen der allgemein üblichen Zunftregeln nicht unter dessen Dach logierten, war die Familie am Sonntag unter sich – was sich durch Bertrams Ankunft jedoch geändert hatte.
    Nachdem er die Schale mit einem dicken Kanten Weißbrot ausgewischt hatte, erhob sich Conrad, warf der geduckt an der Feuerstelle stehenden Gertrud einen finsteren Blick zu und verließ ohne Gruß die Küche, um wenige Augenblicke später die Haustür zukrachen zu lassen.
    »Er geht wieder nicht in die Kirche«, murmelte Gertrud, die Anabel drei überquellende Schüsseln reichte, welche diese mit einem Löffel Honig verfeinerte. »Wenn Gott ihn nur nicht eines Tages dafür bestraft.«
    Wenn Gott ihren Vater bestrafen würde, dachte Anabel wütend, dann gewiss nicht für das Versäumen des Gottesdienstes! »Ihr könnt kommen«, rief sie in die Schlafkammer, aus der – einer nach dem anderen – die zerzausten Schöpfe ihrer Geschwister auftauchten, die sich furchtsam nach allen Seiten umblickten, bevor sie sich wie die Wölfe über ihr

Weitere Kostenlose Bücher