Die Launen des Teufels
Cholera.
»Wenn es so weitergeht, brauchen wir mehr Helfer und Betten.«
»Redet keinen Unsinn, Weib!«, wiegelte Paulus ab. »Sicherlich rafft die Plage nur die Ungläubigen dahin«, setzte er hinzu, bevor er sich abwandte und dazu ansetzte, einem Mädchen den gebrochenen Arm zu schienen.
Da harte Arbeit die einzige Zuflucht vor den quälenden Ängsten darstellte, verbrachte Anabel die nächsten Stunden damit, die Wäsche zu reinigen, doch als kurz nach dem von dem Kirchengeläut verkündeten Ende des Vespergottesdienstes ein Novize erschien, drohte ihr Herz auszusetzen.
»Der Abt schickt nach dir«, murmelte der Knabe mit niedergeschlagenem Blick, und nachdem er Anabel bis an die Schwelle des Abthauses begleitet hatte, huschte er mit eingezogenen Schultern davon. Zitternd stieß Anabel die angelehnte Tür auf und folgte dem Korridor, bis sie die Treppe erreichte, die in die höher gelegenen Geschosse führte. Mit rasendem Herzen tastete sie sich die engen Stufen hinauf, setzte zögernd Fuß vor Fuß, bis sie in dem Gang anlangte, an dessen Ende der Raum lag, in dem vor wenigen Wochen die Oberen der Stadt gespeist hatten.
»Hier entlang.«
Die unverhofft aus dem Dunkel auftauchende Gestalt des Ordensvorstehers ließ sie mit einem Schrei zurückweichen, doch das anzügliche Lächeln auf dem jungenhaften Gesicht machte ihr die Ausweglosigkeit ihrer Lage besser klar, als alle Worte es gekonnt hätten. »Dein Vater hat dir also erklärt, was auf dem Spiel steht«, stellte Franciscus selbstgefällig fest, packte Anabel bei der Schulter und stieß sie an dem Empfangsraum vorbei, einen kaum erhellten Seitenkorridor entlang, bis sie schließlich vor einer mit schlichtem Schnitzwerk verzierten Tür haltmachten, die der Mönch ohne Umschweife mit einem schweren Schlüssel öffnete. Rüde bugsierte er seine Beute in das Innere der von zwei Feuerstellen auf eine angenehme Temperatur aufgeheizten Kammer, deren Prunk trotz des wenig versprechenden Eingangs dem Festsaal in nichts nachstand.
Als der Riegel mit einem kratzenden Geräusch über das Holz schoss, wirbelte Anabel mit aufgerissenen Augen herum, trat jedoch umgehend einen Schritt zurück, da Franciscus sich bereits den protzigen Ausgehmantel und das Skapulier über den Kopf gezogen hatte. Mit einem kehligen Lachen lockerte er den seine Kutte umfangenden Gürtel, schleuderte ihn in eine der im Dunkeln liegenden Ecken und wand sich auch aus dem etwas enger anliegenden Kleidungsstück. Nur noch mit seidenen, an den Knien befestigten Strümpfen und einer leinenen Brouche bekleidet, straffte er die breiten Schultern und spannte die Muskeln.
Sprachlos vor Entsetzen wanderte Anabels Blick über die mit dichtem, drahtigem Haar bedeckte Brust hinab zu dem unansehnlichen Bauch, bis sie die sich deutlich unter der weitgeschnittenen Brouche abzeichnenden Erregung des Abtes erreichte. Als Franciscus, in dessen hellbraune Augen ein gieriges Glühen getreten war, das Grauen auf ihren Zügen als das erkannte, was es war, legte er den Kopf in den Nacken und lachte hemmungslos. Mit einem Laut, der dem Knurren eines Hundes ähnelte, riss er sich auch Brouche und Beinlinge vom Leib, sodass er vollkommen entblößt in der Mitte des Raumes stand. Mit einem erstickten Wimmern blickte Anabel – in deren Augen das Weiß aufblitzte wie bei einem in die Enge getriebenen Tier – sich um und stürzte auf eine im hinteren Teil der Kammer gelegene Tür zu, hinter der sie einen Nebenraum vermutete. Sie hatte Franciscus jedoch kaum mit raschelnden Röcken den Rücken zugewandt, als dieser bereits reagierte, mit voller Kraft vorschnellte und sie durch einen Schlag in die Nieren zu Boden schickte. Der Aufprall auf dem harten Dielenboden trieb ihr die Luft aus den Lungen, doch wenngleich der Schmerz ihr die Tränen in die Augen schießen ließ, versuchte sie auf der Stelle, sich wieder aufzurappeln und die ausweglose Flucht fortzusetzen.
Den zweiten Schlag führte der heftig atmende Franciscus mit geballter Faust aus, und als Anabel, deren Kopf von der Wucht auf die harten Bohlen zurückgeschleudert wurde, benommen die Lider aufeinanderpresste, traf sie ein weiterer Hieb am Kinn.
»Bleib hier, du Flittchen!«, fauchte er und legte die kalten Hände um ihren Hals. Einen Augenblick dachte Anabel, in deren Adern flüssiges Metall zu brennen schien, dass er sie erdrosseln wolle. Doch als bereits winzige, silberne Sterne durch ihr ohnehin getrübtes Blickfeld tanzten, lockerte der mit gespreizten
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