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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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riechenden Kammer zurück.
     

Kapitel 15
     
    »Hier.« Mit einem schiefen Lächeln bot Göswin Bertram ein Stück des frisch gebackenen Roggenbrotes an, welches der sechsjährige Uli den Männern an diesem Montag zusammen mit einem nahrhaften Eintopf aus Hammel und Bohnen in die Glockenhütte gebracht hatte.
    Dankbar darüber, von den beiden Gesellen nicht mehr als Behinderung angesehen zu werden, erwiderte Bertram das Lächeln des Älteren und tauchte den knusprigen Kanten in die dampfende Brühe, auf der dicke Fettaugen schwammen. Wie die beiden Gesellen hatte auch er an diesem Tag einen Krug schäumenden Haferbieres erhalten, den er in kleinen Schlucken leerte. Wer wusste, wann sich Conrads gute Laune wieder änderte, dachte er misstrauisch und wischte sich den Mund am Ärmel des immer fadenscheiniger werdenden Rockes ab. Nachdem er über eine Woche mit einem schmerzhaften, trockenen Husten und einem leichten Fieber gekämpft hatte, fühlte er sich an diesem Morgen wieder frisch und kräftig; und da sich sein Körper inzwischen an die harte Arbeit in der Gießerei gewöhnt hatte, konnte ihn nicht einmal die Aussicht darauf schrecken, den Kern der für das Söflinger Kloster angefertigten Prunkglocke zerschlagen zu müssen. Anders als in der Zeit direkt nach seiner Ankunft in Conrads Haus, scheute er sich auch nicht mehr vor der zischenden und Funken spuckenden Esse, deren Glut er inzwischen genauso furchtlos zu handhaben gelernt hatte wie die mit flüssigem Metall gefüllten Gusspfannen. Und wohingegen ihm zu Beginn seiner Fron oft Hände und Knie den Dienst hatten versagen wollen, schien es in der Zwischenzeit ein Leichtes, die langstieligen Gussbehältnisse vom Schmelztiegel zu den aus dem Boden ragenden Speisern zu befördern, wo sie ihm vom Meister oder einem der beiden Gesellen abgenommen wurden. Da der Gussvorgang selbst ein Höchstmaß an Erfahrung und Feingefühl verlangte, war es meist Conrad persönlich, der sich um das Füllen der größeren Formen kümmerte, da ein Fehlguss nicht nur ein Mehr an Arbeit, sondern auch einen Verlust an Profit mit sich brachte. Wollte man verhindern, dass durch das Einschließen von Luftblasen, das Entmischen der Legierung oder das verfrühte Aushärten der Schmelze die Glocke ruiniert wurde, musste man mit äußerster Vorsicht und Genauigkeit vorgehen.
    Mit einem zufriedenen Schmatzen und einem bedauernden Blick auf die ausgewischte Suppenschale stemmte Bertram die von Schwielen überzogenen Hände auf die Schenkel, unterdrückte ein Aufstoßen und schob sich in die Höhe. Frisch gekräftigt bückte er sich nach dem schweren Hammer, schwang ihn auf die Schulter und steuerte auf den in einer Glockengrube versenkten Kern zu, der nach dem Heben des Werkstückes darauf wartete, zertrümmert zu werden. In seinem Rücken beschwerten sich Göswin und Anselm immer noch darüber, dass sie auch im nächsten Jahr nicht aus ihrer Muthzeit entlassen werden würden, was bedeutete, dass sie ein weiteres Jahr darauf hoffen mussten, in den Rang eines Meisters erhoben zu werden. Soweit Bertram die Klage der beiden verstanden hatte, hatte die Gießerzunft ihnen nach über drei Jahren der als Meisterprobe verstandenen Muthzeit noch immer keinen freien Posten anbieten können, was zur Folge hatte, dass die beiden Gesellen mit zunehmender Unzufriedenheit und Griesgrämigkeit ihrem Tagwerk nachgingen.
    »Wenn es so weitergeht«, brummte der rothaarige Anselm, während er sich die Schutzkleidung über den Kopf zog, »werde ich noch ein drittes Mal Vater, bevor sich etwas ändert.«
    »Ach, was soll’s«, seufzte Göswin und schob sich den blonden Schopf aus der Stirn. »Immerhin hat Conrad uns erlaubt zu heiraten. Alles Jammern bringt ja doch nichts. Lass uns die neue Schmelze ansetzen.« Damit erhoben sich die beiden, und Bertram, der inzwischen die Glockengrube erreicht hatte, verschwand mit einem leichtfüßigen Sprung aus ihrem Blickfeld. Unten angekommen, klopfte er sich den Schmutz von der Hose, hob den Hammer auf und trat an den beinahe mannshohen Kern heran, dessen braune Ziegel nach der langen Zeit des Eingeschlossenseins porös und spröde wirkten. Ohne zu zögern, schwang er den Hammer über den Kopf und ließ ihn mit einem dumpfen Krachen auf die Form niedersausen.
    Während er die Bewegung wiederholte und die Steine unter seinen Händen in kleinen Lawinen aus Staub und Splittern zerbarsten, ließ er die Gedanken zu Anabel abschweifen, deren gedrückte Stimmung im direkten

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