Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Erlaubnis im Freien aufhielt, würde ihn vermutlich eine Bestrafung erwarten, deren Ausmaß sich der Knabe besser nicht ausmalen wollte. Doch das war ihm im Augenblick beinahe gleichgültig. Was, wenn Anabel nicht mit ihm reden wollte?, fragte er sich und beobachtete, wie eine betrunken wirkende Ratte taumelnd über den vereisten Boden schlitterte, um keine sechs Fuß vor ihm aus Nase und Maul blutend unter krampfartigem Zucken zusammenzubrechen und regungslos liegen zu bleiben. Sie hatte kaum alle Viere von sich gestreckt, als aus der tintenschwarzen Finsternis, welche die zwischen den ärmlichen Katen liegenden Gänge bodenlos und bedrohlich erscheinen ließ, eine Katze hervorschoss und die Zähne in den Kadaver schlug, um diesen in das Loch zu zerren, aus dem sie aufgetaucht war.
    Mit aufeinanderschlagenden Zähnen versuchte Bertram, der den Vorgang desinteressiert beobachtet hatte, den zerschlissenen Mantel enger um die in die Breite gegangenen Schultern zu ziehen, gab jedoch nach einer Weile mit einem Brummen auf und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Umgebung zu. Wie Irrlichter zuckten die sich spiegelnden Flammen der beiden einsamen Fackeln, welche das Ende der engen Straße erhellten, über den frostglitzernden Boden, auf dem sich der am Tag geschmolzene Schnee zu einer tückischen Eisdecke verhärtet hatte. An den Häuserwänden schoben sich kniehohe Schneehaufen in die Höhe und hie und da fiel mit einem klirrenden Geräusch einer der beachtlichen Eiszapfen zu Boden, um in tausend Stücke zu zerbrechen. Bertram seufzte.
    Gerade wollte er seinen geschützten Standort verlassen, um sich die erstarrten Füße zu vertreten, als sich vom Ende der Gasse her die schlanke Silhouette einer jungen Frau näherte, die er sofort erkannte. Einige Schritte lang beobachtete er wie festgeleimt, wie sie sich mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern seinem Standort näherte, bevor er mit feuchten Handflächen und weichen Knien aus dem Schatten trat und ihr entgegen eilte. Als sie seiner Anwesenheit gewahr wurde, stieß sie einen spitzen Schrei aus und wollte sich gerade zur Flucht wenden, als auch sie ihn erkannte. Die Hand auf die sich heftig hebende Brust gepresst, flüsterte sie erstickt: »Bertram, was um alles in der Welt tust du hier draußen?« Der Schrecken hatte für den Bruchteil eines Momentes die Maske der Reserviertheit von ihrem Gesicht gerissen, doch kaum hatte sie sich ein wenig erholt, setzte sie erneut den kühlen Blick auf, der seit der vergangenen Woche drohte, ihm alle Hoffnung zu rauben.
    »Du solltest längst im Bett sein«, setzte sie etwas ruhiger hinzu und reckte kaum merklich das Kinn. Im schwachen Schein der Fackeln in ihrem Rücken vermeinte Bertram die verräterischen Spuren von Tränen auf ihrem totenbleichen Gesicht zu erkennen. Doch bevor er sie genauer in Augenschein nehmen konnte, fasste sie den kleinen Korb in ihrer Rechten nach und machte Anstalten, an ihm vorbei auf die Glockenhütte zuzusteuern.
    »Anabel«, stieß er atemlos hervor und griff nach ihrem Arm, aber kaum hatte er den Stoff ihres Hemdkleides berührt, zuckte sie mit solcher Vehemenz vor ihm zurück, dass ihm flammender Zorn in die Wangen stieg.
    »Warum weichst du mir aus?«, platzte es aus ihm hervor, während Anabel mit bebenden Lippen auf die Stelle starrte, an der eben noch seine Finger geruht hatten. »Du musst es mir sagen!«
    Ohne auf sein drängendes Bitten einzugehen, wischte sie sich mechanisch über den Ärmel, grub die Zähne in die Unterlippe und schüttelte schwach den Kopf. Als sie die niedergeschlagenen Lider hob und ihn mit schmerzverdunkelten Augen anblickte, schnürte ihm die Beklemmung die Kehle zu. »Du musst alles vergessen, was ich dir je gesagt habe«, flüsterte sie und rang um Fassung, bevor sie hölzern hinzufügte: »Ich bin es nicht wert, dass du deine Liebe an mich verschwendest.« Ein Schluchzen raubte ihr die Stimme, doch ehe Bertram widersprechen konnte, sie in die Arme schließen und vom Gegenteil dieser unsinnigen Behauptung überzeugen konnte, schlug sie die Hand vor den Mund und rannte wie von Furien gehetzt auf das Haus ihres Vaters zu.
    Bevor Bertram, der wie gelähmt auf der Stelle verharrte, verstanden hatte, was gerade geschehen war, war sie bereits im Inneren verschwunden. »Anabel!«, zischte er, nachdem er ihr nachgesetzt hatte, den Mund dicht am Holz der dicken Bohlen – doch das Schlagen einer Tür im Inneren verriet ihm, dass sie sich bereits in der Küche befinden

Weitere Kostenlose Bücher