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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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jedem Atemzug, den der aufgekratzte Gießer tat, löste sich ein winziges Wölkchen von seinem Mund, das innerhalb weniger Sekunden verpuffte. Wie unglaublich einfältig die Menschen doch waren!, überlegte er selbstgefällig und machte einen Bogen um eine mit grünen Leichentüchern bedeckte Familie, die auf einem Karren auf den Totengräber wartete. Schwach und einfältig! Er bog in die Bockgasse ein, an deren Ende bereits die hell erleuchteten Fenster des Badehauses lockten. Diese Pest raffte nur die Schwachen dahin, und der einzig wirksame Schutz gegen sie war harte Arbeit!
    Ausgreifend näherte er sich seinem Ziel und schenkte den beiden offensichtlich jämmerlich frierenden Dirnen, welche auch in dieser eisigen Nacht nur spärlich bekleidet zum Besuch der Anstalt einluden, ein strahlendes Lächeln. Großspurig fuhr er mit der Rechten in seine Rocktasche und zauberte eine Handvoll Silbergeld hervor, die er vor den großäugigen Mädchen auf den Boden purzeln ließ. »Für euch, ihr Süßen. Es ist ja bald Weihnachten«, tönte er und beobachtete grinsend, wie die jungen Frauen kniend dem davon kullernden Schatz hinterherkrochen. Den Blick fest auf die sanft hin- und herschwingende Rückseite der jüngeren der beiden gerichtet, setzte er seinen Weg ins Innere des Badehauses erst fort, als die beiden mit überschwänglichem Dank ihre ursprüngliche Position wieder eingenommen hatten. Wie schön, wenn man sich solch kleine, aber befriedigende Gesten leisten konnte! Ein Stechen der Vorfreude ließ ihn zusammenzucken. Wenn er erst ein Mitglied des Rates war, würde sich sein Lebensstil deutlich verändern!
    Beschwingt betrat er das feuchtwarme Innere des Gebäudes und ließ sich von einem der Helfer in seine übliche Nische führen, in der ihn keine zehn Minuten später die von ihrer Krankheit genesene Cylia beglückte. Als diese sich nach vollendetem Liebesspiel wieder zurückgezogen hatte, bummelte Conrad – eine fröhliche Melodie auf den Lippen – ins Schwitzbad, wo er erstaunt auf der Schwelle verharrte, als er der wohlbekannten Gestalt des Abtes gewahr wurde, der immer häufiger zu ungewohnten Zeiten ins Bad kam.
    »Franciscus«, grüßte er gut gelaunt und ließ sich neben dem fleischigen Barfüßer nieder, nachdem er seine Haut mit einem Griff in den Wassereimer mit einem Film des erfrischenden Nasses bedeckt hatte. Zischend kommentierte der heiße Stein die Feuchtigkeit, und während dünne Dampfschwaden zur Decke stiegen, schloss Conrad mit einem Seufzen die Augen. Nachdem er einige Augenblicke das durch seine Adern pulsierende Machtgefühl genossen hatte, hob er betont genüsslich den Kopf und blickte Franciscus direkt in die braunen Augen. »Ich will Euch nicht den Abend verderben«, hub er an und zog ein Bein unter das Gesäß. »Aber Ihr solltet auf der Hut sein.«
    Als Franciscus, zwischen dessen Brauen sich eine unwillige Falte gegraben hatte, ihn lediglich wortlos anstarrte, setzte Conrad hinzu: »Ich komme gerade von einem Zunfttreffen. Der Alderman hat Verdacht geschöpft.«
    Einige Atemzüge lang war das fauchende Wispern der sich auf Kohlen und Stein niedersenkenden Feuchtigkeit das einzige Geräusch, das den kleinen Raum erfüllte, bevor Franciscus bissig erwiderte: »Wenn das nur meine einzige Sorge wäre!« Er lachte hart. »Ich hatte heute Abend eine sehr unschöne Auseinandersetzung mit Henricus.«
    Der Ton, in dem er diese Feststellung äußerte, verriet Conrad, dass sein Verdacht den heimlichtuerischen Ordensvater betreffend korrekt gewesen war. Ein Schauer der Verachtung ließ ihn trotz der enormen Hitze frösteln, als er sich ausmalte, wie der bigotte Henricus das Regiment in der mächtigsten Abtei der Stadt führen könnte, sollte es ihm gelingen, Franciscus dessen Posten streitig zu machen. Dazu durfte es nicht kommen!
    »Er ist Euch hierher gefolgt«, ließ er den griesgrämig an seiner Lippe nagenden Abt wissen, der bei dieser Information zurückzuckte, als habe der Gießer ihm einen Schlag ins Gesicht versetzt. »Seit vier Wochen schleicht er Euch nach und beobachtet das Badehaus«, erläuterte Conrad, dem die vermummte Gestalt des stellvertretenden Ordensoberhauptes mehr als einmal aufgefallen war, und als Franciscus lediglich mit zusammengepresstem Mund nickte, wiederholte er mit Nachdruck: »Nehmt Euch vor ihm in acht.«
    Ein Schnauben verriet die Gedanken des heftig schwitzenden Abtes, der schließlich heiser erwiderte: »Solange er dieses Haus nicht betritt, ist er keine

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