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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hängenden Kruzifix.
    Doch bevor sie sich dazu verleiten lassen konnte, entgegen besseren Wissens Prudenz‘ Worten Glauben zu schenken, drängte sich die Sorge um Vren mit aller Macht zurück in ihre Gedanken. Ein Schauer ließ sie frösteln. Was würde die Freundin jetzt nur anfangen?, fragte sie sich bang, während sie die Augen vor dem kunstvoll geschnitzten Abbild des gekreuzigten Jesus niederschlug. Und wie würde die Familie der Bäckertochter, die wegen der immer schlechter gehenden Geschäfte auf die Einkünfte aus dem Kloster angewiesen war, auf die Neuigkeit reagieren? Eines nach dem anderen richteten sich die Haare in ihrem Nacken auf, als sie die volle Tragweite der Verbannung aus der Abtei begriff. War der Ruf einer jungen Frau erst einmal zerstört, war es für diese so gut wie unmöglich, ein ehrbares Leben zu führen.
    Sie lachte lautlos und widerstand nur knapp der Versuchung, dem Herrn für die Wendung des Schicksals zu danken, das für sie Glück im Unglück der Freundin bedeutete. Denn am heutigen Tag hatte lediglich der Zufall verhindert, dass es sie selbst getroffen hatte!

Kapitel 19
     
    Die Hitze, die Conrad beim Betreten der überfüllten Herberge entgegenschlug, war atemberaubend. In fünf tiefen Metallbecken sowie in der beinahe die ganze Nordwand einnehmenden Feuerstelle prasselten mit Rosmarin, Mastix – dem schwer duftenden, aus Griechenland eingeführten Harz von Pistazienbäumen – oder Schwefel bestrichene Holzscheite, die den Innenraum der Schenke in einen alles erstickenden Rauch hüllten, durch den man kaum die Schemen der Anwesenden erkannte. Verwünschungen über die komplizierte Schnürung seines modischen Mantels murmelnd, schälte sich der Gießer so schnell wie möglich aus dem teuren Gewand und warf es über den Arm, bevor er sich die Treppen hinab in den Keller begab, aus dem aufgebrachtes Stimmengewirr an sein Ohr drang. Dort fand auf Einladung des Aldermans am heutigen Freitagabend ein Gesamttreffen der Zünfte Ulms statt, in dem der Vorsteher unter anderem die momentane Lage besprechen wollte. Durch den Tod einiger einflussreicher Mitglieder waren Posten frei geworden, von denen Conrad bisher nicht einmal zu träumen gewagt hatte, und er hatte beschlossen, eine dieser Positionen für sich zu beanspruchen!
    Ein kaltes Lächeln huschte über sein Gesicht, dem die schmalen Lippen und harten Falten ein unnachgiebiges Aussehen verliehen, und in die blauen Augen trat ein erwartungsvolles Funkeln. Schritt für Schritt tastete er sich die schmalen Treppen hinab, bis er schließlich den niedrigen Durchgang zu dem Gewölbekeller erreichte, der von zwei Mitgliedern der Stadtwache flankiert wurde, deren grimmige Mienen erahnen ließen, wie sie im Falle eines Aufruhrs zu verfahren gedachten. Den Anweisungen des Bürgermeisters zufolge war es seit einigen Tagen nicht mehr gestattet, Versammlungen ohne den Schutz der Wächter abzuhalten, da es immer öfter zu gewalttätigen Ausschreitungen kam. Aus Furcht vor der Seuche folgten die Menschen voller Verzweiflung dem Rat der Ärzte und Heilkundigen, die den übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke als Schutz vor der Krankheit propagierten. Was allerdings zur Folge hatte, dass die meist bis zur Besinnungslosigkeit betrunkenen Männer und sogar Frauen dazu neigten, Streitereien vom Zaun zu brechen, die nicht selten mit ernsthaften Verletzungen der Kampfhähne endeten.
    Als Conrad in den bereits vor Ungeduld brodelnden Raum eintauchte, verschluckte das Gemurmel der Anwesenden das ununterbrochen über den Dächern hängende Geläut der Sterbeglocke, die er selbst vor einigen Jahren angefertigt hatte.
    Seit dem ersten Läuten vor etwas weniger als vier Wochen war der schrille Ton kaum mehr abgerissen, was langsam aber sicher an den ohnehin dünnen Nerven der Einwohner Ulms zerrte. Es kursierten bereits die ersten Gerüchte, dass die Stadtverwaltung vorhatte, das Läuten zu untersagen, da die damit genährte Furcht und Verzweiflung angeblich der Krankheit besonders Vorschub leisteten.
    Ohne auf die giftigen Blicke und unschmeichelhaften Worte zu achten, mit denen er bedacht wurde, bahnte sich Conrad rücksichtslos einen Weg durch die dicht gedrängt stehenden Bürger, deren Kleidung sie als Mitglieder der unterschiedlichen Zünfte Ulms auswies, und schnappte nach einem der von Bediensteten verteilten Weinkelche. Da die Getränke an diesem Abend auf Kosten der Zunftkasse gingen, hatte er sich vorgenommen, kräftig zuzulangen.
    Neben

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