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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Silhouette abwenden und den hölzernen Rosenkranz umklammern, den sie seit einiger Zeit stets mit sich führte. Was musste sie noch über sich ergehen lassen, um Vergebung für ihre Sünden zu erlangen?
    Als die beiden Fuhrwerke das starke, zweiflügelige Tor des Klosters erreichten, traten die düsteren Gedanken beim Anblick der gewaltigen Anlage in den Hintergrund. Umgeben von scheinbar zahllosen Gütern erstreckte sich der von einer lang gestreckten Kirche dominierte Komplex etwa eine Meile in jede Himmelsrichtung. Während Refektorium, Dormitorien und Hospital den inneren Ring bildeten, wurden Gästehäuser, Stallungen, die Schule und das Haus der Äbtissin von einem Karomuster aus Wegen und Gärtchen eingerahmt, die der Anlage ein gepflegtes Aussehen verliehen. Trotz der Kälte wimmelte es von Heiligen Schwestern, die mit scheinbar stoischer Gelassenheit ihren jeweiligen Aufgaben nachgingen. Lediglich die Köpfe einiger weiß gewandeter Novizinnen zuckten neugierig in ihre Richtung, doch als sich eine beinahe quadratische Gestalt aus dem Schatten des Kirchturms löste, beugten die Mädchen sogleich wieder die Rücken und fuhren mit ihrer Arbeit fort.
    »Gaudenz, Adelheid, wie schön, Euch zu sehen!«, trompetete die trotz der steifen Ordenstracht erstaunlich mütterlich wirkende Frau, bei der es sich ohne Zweifel um die Äbtissin Elisabeth handelte. Nachdem sie sich vor den Besuchern aufgebaut hatte, neigte sie den Kopf und bekreuzigte sich mehrfach. »Ihr müsst bis auf die Knochen durchgefroren sein«, stellte sie mit einem Blick auf die Gewänder der Neuankömmlinge fest und machte eine einladende Handbewegung. »Kommt. Ich lasse uns erst einmal etwas Würzwein zubereiten.«
    Als auch Bertram, dem seine Verunsicherung anzusehen war, der Einladung folgen wollte, bedachte sie ihn mit einem nachdenklichen Blick, bevor sie einer der von ihr herbei gewinkten Nonnen etwas zuflüsterte. »Schwester Agnes wird dir ein Quartier zuweisen«, wandte sie sich an den nervös seine Hände knetenden jungen Mann, bevor sie die anderen Gäste dazu aufforderte, ihr zu folgen.
    Da ihr nichts anderes übrig blieb, als sich dem kleinen Zug anzuschließen, warf Anabel einen mitleidigen Blick über die Schulter zurück, doch Bertram hatte sich bereits abgewandt, um sich an den Befestigungen der Glocke zu schaffen zu machen.
     

Kapitel 21
     
    Die Nacht war sternenklar, als Anabel sich um die achte Stunde in die ihr zugewiesene Kammer in einem der an die Stallungen angrenzenden Gästehäuser zurückzog. Totenstille hatte sich über den weitläufigen Hof gesenkt, nachdem das Geläut der Kirche verstummt war und der Großteil der Bewohner sich entweder in die Dormitorien oder das Refektorium zurückgezogen hatte. Da auch der Klarissenorden nicht von der überall wütenden Seuche verschont geblieben war, waren die Reihen der Schwestern inzwischen so weit ausgedünnt, dass laut der Äbtissin nur noch ein Drittel der ursprünglichen Mitglieder die riesige Anlage bewohnte. Was dazu geführt hatte, dass ganze Gebäude verwaist brachlagen. Da Schwester Adelheid im Haus der Ordensvorsteherin Unterkunft gefunden hatte, war Anabel die einzige Bewohnerin des etwa zehn Kammern umfassenden Gebäudes, das in pechschwarzer Finsternis direkt an der Westmauer lag. Mit einem müden Dank verabschiedete sie sich von der etwa vierzehnjährigen Novizin, die sie bis zur Tür begleitet hatte, und nahm froh das schwach leuchtende Lämpchen entgegen, das diese ihr reichte. Vorsichtig stieß sie das quietschende Tor des Gästehauses auf und schrak zusammen, als im Licht der von gelben Scheiben abgeschwächten Kerzenflamme eine Schar Mäuse das Weite suchte. Grotesk verzerrte Schatten zeichneten ein undeutliches Bild des spärlichen Mobiliars, und nachdem Anabel sich schüchtern in der von zwei groben Holztischen dominierten Eingangshalle umgesehen hatte, wandte sie sich mit einem erleichterten Seufzer der Tür hinter sich zu, um diese zu schließen. Langsam tastete sie sich in die einfach eingerichtete Behausung vor, deren Wände außer einer Handvoll Kruzifixe keinerlei Schmuck zierte. Dicke Balken stützten die Decke des zweistöckigen Baus, und nachdem sie sich im Untergeschoss umgesehen hatte, näherte Anabel sich zögernd der schmalen Treppe, die zu den Schlafkammern führte.
    Die zum Teil morschen Stufen gaben laut knarrend unter ihrem Gewicht nach, und sie stieß erleichtert die angehaltene Luft aus den Lungen, als sie die Schlafkammer erreichte. Eine

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