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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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die beiden Kaltblüter, die mit hängenden Köpfen an ihrem Geschirr kauten, ungeduldig mit den Hufen stampften, zog Schwester Adelheid mit einigen beruhigenden Worten an den Zügeln, bevor sie diese wieder auf die Rücken der stämmigen Tiere fallen ließ. Leise vor sich hin schimpfend nestelte sie an den Fingern ihrer Handschuhe und rieb die Knie aneinander, um sich zu wärmen.
    »Wo bleibt der Bursche nur«, murmelte sie missfällig, und als kurze Zeit später ein altes, rostiges Fuhrwerk aus dem Osten auf die kleine Versammlung zuholperte, stockte Anabel vor Verwunderung der Atem. Denn trotz der blendend durch die Wolkendecke brechenden Sonne erkannte sie bereits aus hundert Fuß Entfernung den ockerfarbenen Ochsen ihres Vaters, der unter dem Joch des uralten Karrens gemächlich hin und her schwankte. In aller Seelenruhe trottete das Tier auf die Frauen zu und kam neben ihnen auf Befehl des Lenkers zum Stehen, der sie mit einem respektvollen Kopfnicken begrüßte. Als sein Blick auf Anabel fiel, schoben sich die Mundwinkel kaum merklich nach oben, doch ansonsten ließ er sich mit keinem Wimpernzucken anmerken, dass er sich erst vor wenigen Stunden von ihr getrennt hatte. Auf der flachen Pritsche des Wagens wölbte sich die eindeutige Form einer Glocke unter einer Abdeckung aus blauem Tuch, das an den vier Ecken des Wagens befestigt worden war.
    »Ah, da bist du ja«, dröhnte die Stimme des Kellermeisters so unvermittelt, dass Anabel erschrocken zusammenfuhr. Mit seiner zu langen Kutte kämpfend wieselte der kleine Mönch über den Vorplatz der Abtei auf die Wartenden zu, schenkte den Frauen ein strahlendes Lächeln und streckte Bertram die Hand entgegen, damit dieser ihm auf den Bock des Fuhrwerkes half. Zappelnd zupfte er den Stoff unter seinem Gesäß zurecht, legte die Stirn in tiefe Falten und griff sich mit einem erschrockenen Ausruf an den geflochtenen Gürtel. Kaum hatte er die daran befestigte, aus Ziegenleder gearbeitete Flasche ertastet, klärte sich seine umwölkte Miene und er schnalzte vergnügt mit der Zunge. »Dann wollen wir mal«, verkündete er mit einem Händeklatschen und gab Bertram zu verstehen, den Ochsen anzutreiben. Das Knallen der Peitsche hing noch in der Luft, als auch Anabels Fuhrwerk sich mit einem Ruck in Bewegung setzte, um in Richtung Neutor zu poltern, von wo aus es sich gemächlich den Anstieg zum Kuhberg hinauf kämpfte.
    Kaum hatten sie den Schutz der Häuser und Mauern hinter sich gelassen, boten sie dem schneidenden Wind ein einladendes Ziel, und während sie sich bemühte, das Aufeinanderschlagen ihrer Zähne zu verhindern, kauerte sich Anabel in den Windschatten der vor ihr sitzenden Begine. Holpernd und schaukelnd schlängelten sich die beiden Karren die von Schlaglöchern durchsetzte Straße entlang, an deren Rand ein tiefer, mit Schnee und gefrorenem Brackwasser gefüllter Graben verlief. Bereits nach wenigen Minuten verblasste das allgegenwärtige Gemurmel der Stadt, und die unberührte Schneedecke schien alle Geräusche zu schlucken. Lediglich unterbrochen vom Schnauben der Tiere, fraßen die Wagen Fuß um Fuß, bis sich schließlich das Tal vor ihnen auftat, in dessen Zentrum sich das Dorf Söflingen an die sanften Hügel schmiegte. Etwas erhaben, zur Rechten des Dorfkerns, ragte das Klarissenkloster in den stahlblauen Winterhimmel, der sich von Norden her langsam aufgelockert hatte. Rings um die reiche Abtei erstreckten sich weitläufige Felder und Wälder, und während Anabel den Blick auf die schneebedeckten Fichten und Tannen am Fuße des Kuhberges richtete, erhob sich aus deren Wipfeln ein Paar jagender Bussarde.
    Als sich die mächtigen Mauern der Abtei nach etwa einer halben Stunde schleppender Fahrt näherten, kehrten Anabels Gedanken zu Bertram zurück, dessen Gestalt den neben ihm thronenden Gaudenz zwergenhaft und zierlich erscheinen ließ. Welche unergründliche Macht des Schicksals hatte beschlossen, ihn gemeinsam mit ihr auf den Weg ins Umland zu schicken?, fragte sie sich verwundert. Wollte der Teufel sie versuchen, das Wohlergehen ihrer Geschwister den eigenen, selbstsüchtigen Hoffnungen zu opfern? Sie presste die Lider aufeinander, um ihren von der gleißenden Helligkeit geblendeten Augen einen Moment Linderung zu verschaffen. Wollte Satan sie zu der Hoffnung verleiten, dass es einen Ausweg aus der Zwangslage gab, in die ihre eigene Sündhaftigkeit sie geführt hatte? Ein Ziehen in ihrem Unterleib ließ sie den Blick von Bertrams männlicher

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