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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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die Gemahlin des Grafen von Württemberg. Aber du brauchst dich nicht vor ihr zu fürchten. Ich kenne sie, seit sie ein Kind ist.« Damit legte sie der jungen Frau kurz die Hand auf die Schulter, bevor sie weitereilte, um der Ursache eines markerschütternden Schreis auf den Grund zu gehen. 
    Staksig näherte sich Anabel der schlafenden Adeligen, um sie voller Ehrfurcht einige Augenblicke lang zu betrachten. Die rotbraunen Locken, die von den Beginen aus der strengen Haube befreit worden waren, lagen aufgefächert auf den weichen Kissen und verliehen ihr das Aussehen eines jungen Mädchens. Während die von feinen blauen Adern durchsetzten Lider ihre Haut blass erscheinen ließen, bekräftigte der volle, rotlippige Mund beinahe trotzig die Lebendigkeit der jungen Mutter. Das wütende Heulen des Neugeborenen riss Anabel aus der bewundernden Betrachtung, und als sie sich neugierig über die Krippe beugte, um das winzige Bündel behutsam zu befreien, erfüllte sie entgegen allen Kummers ein warmes Gefühl der Mütterlichkeit. Leise Beruhigungen murmelnd drückte sie den kräftig strampelnden Knaben an ihre Brust, wo sich unverzüglich kleine Fingerchen in das weiche, nur von dem dünnen Stoff ihres Kleides bedeckte Fleisch gruben. »Gleich«, murmelte Anabel, während sie sich von dem Lager zurückzog, den Kopf des Kindes in ihrer Armbeuge ablegte und nach ihrer Glocke angelte, die sie neben dem Eingang auf einen der Haken gehängt hatte. »Gleich gibt es etwas zu essen.« Sorgsam wickelte sie den immer heftiger protestierenden Säugling in eine weitere wollene Decke, bevor sie sich mit ihm zurück zum Tor begab, um sich auf den Weg zu einer Frau im Osten der Stadt zu machen, die den Beginen schon in der Vergangenheit ihre Dienste als Amme zur Verfügung gestellt hatte.
    Den Blick fest auf das feuerrote, zu einer faltigen Maske des Unwillens verzerrte Gesicht des Neugeborenen gerichtet, eilte Anabel so schnell wie möglich in die Kramgasse, um kurz darauf in die Apothekergasse einzubiegen. Dort steuerte sie schnurstracks auf ein flaches Steingebäude zu, in dessen vorderem Teil der Laden des Apothekers untergebracht war, dessen Gemahlin sie aufsuchen wollte. Vorsichtig zog sie den Kopf ein, um dem über dem Türrahmen angebrachten Glockenspiel auszuweichen, und trat in den nach Gewürzen, Laudanum und Alkohol duftenden Verkaufsraum, in dem der Apotheker und seine beiden Gehilfen damit beschäftigt waren, Sirup herzustellen und diverse Zutaten zu pulverisieren. In den scheinbar endlosen Regalreihen drängten sich Glasflaschen in allen erdenklichen Größen, Tiegel und Töpfe, Säckchen, Beutelchen sowie Waagen und Maße jeglicher Art. In einer Ecke des von einer Unzahl Kerzen erleuchteten Raumes stapelten sich die ebenfalls hier erhältlichen Luxusgüter wie Safran, grüner Pfeffer, Muskatnuss, Galgantwurzel, Kardamom, Zimt, französisches Papier, exotische Weine und das allseits beliebte Konfekt, bei dessen Anblick Anabel das Wasser im Munde zusammenlief. Den Großteil des Raumes nahm jedoch die Arbeitsfläche des Apothekers ein, der bei Anabels Erscheinen widerwillig die Nase von einem kleinen Glaskolben löste, in dem eine unnatürlich grüne Flüssigkeit brodelte.
    »Was willst du?«, fragte er unfreundlich und ließ den Blick seiner kalten, wasserblauen Augen an der Besucherin entlang wandern, bis er auf dem Bündel in ihren Armen hängen blieb. Ein verächtliches Zucken um seinen Mund verriet deutlich die Gedanken, die ihm dabei durch den Kopf gingen.
    »Ich suche Elzbete«, erklärte Anabel, der die Röte in die Wangen schoss. Mit einem abfälligen Brummen senkte der Apotheker erneut den Kopf über den Kolben, nachdem er mit einer wegwerfenden Handbewegung auf einen hinter einem dunkelbraunen Vorhang versteckten Durchgang gewiesen hatte.
    Nur mühsam schluckte Anabel die scharfe Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, und folgte der angewiesenen Richtung. Mit der Linken schob sie den Vorhang zur Seite, um mit dem Ellenbogen die unverschlossene Tür aufzustoßen, bevor sie den dahinter liegenden, rußgeschwärzten Raum betrat, dessen fensterloses Inneres lediglich von einem schwachen Kaminfeuer in ein flackerndes Licht getaucht wurde. Im Gegensatz zu dem in reiche Gewänder gekleideten Apotheker verhüllte die üppigen Formen seiner Gemahlin ein einfaches, aus Leinen gearbeitetes Kleid, über dessen Ausschnitt eine pralle, von einem riesigen Hof akzentuierte Brust quoll, an die sie soeben einen greinenden Knaben

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