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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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dem Kopf gegen die Decke stieß. Bei einer Einkaufsexpedition in einen Hypermarkt, den Digweed das restliche Jahr über als die Kathedrale der Hölle bezeichnete, hatte er entgeistert mit ansehen müssen, wie sich in ihrem Einkaufswagen Cracker und Nippes, Pasteten und Gläser mit eingelegten Walnüssen, Cocktailwürstchen in einer Gesamtlänge von mehreren Metern und alle in den Regalen zur Schau gestellten Schachteln mit exotischem Konfekt und Pralinen türmten. Schließlich hatte er höflich angefragt, ob das Rote Kreuz Edwin vielleicht eine Warnung habe zukommen lassen, dass im abgelegenen Eendale mit einer Springflut von Flüchtlingen zu rechnen sei, die zwar vor dem Hungertod standen, kulinarisch aber nichtsdestotrotz sehr heikel waren.
    Digweed hatte gelacht, eine Art fröhliches Ho-ho-ho, das Wield bislang zu keiner anderen Jahreszeit von ihm gehört hatte, und seinen Marsch durch die Regale fortgesetzt, summend zu den Weihnachtsliedern aus den Lautsprechern.
    Wield, seit jeher pragmatisch veranlagt, hatte beschlossen, sich zu entspannen und zu genießen, und musste zu seiner großen Überraschung feststellen, dass es ihm gelang. Selbst der von ihm ursprünglich mit Vorbehalten angegangene Christmettenbesuch hatte Spaß gemacht. Das gesamte Dorf war anwesend, und da das Corpse Cottage, die nun mit bunten Lichterketten herausgeputzte Wield/Digweedsche Residenz, sich traulich an die Friedhofsmauer schmiegte, schien es ganz natürlich, dass die Dorfbewohner auf dem Heimweg kurz auf einen wärmenden Festtrunk vorbeischauten, bei dem bald darauf die scheinbar exzessiven Vorräte merklich dezimiert wurden.
    »Es hat mich sehr gefreut, Sie beim Gottesdienst zu sehen«, sagte Justin Halavant, feinsinniger Kunstsammler und -kritiker, der Wield immer ein wenig an Oscar Wilde erinnerte und in dessen Hand eine Mohnblume oder Lilie alles andere als deplatziert gewirkt hätte. »Es ist ja so wichtig, dass wir alle für unseren Glauben eintreten, meinen Sie nicht auch?«
    »Ach ja?«, sagte Wield, milde überrascht, da er Halavant eher als Ästheten denn als gläubigen Christen eingeschätzt hatte. »Seien Sie nicht gekränkt, es hat mir gefallen, aber ich bin nicht unbedingt das, was man einen wahren Gläubigen nennt …«
    »Mein lieber Freund, was hat das denn damit zu tun?«, lachte Halavant. »Ich meine nur, jeder, der an Weihnachten nicht in der Kirche auftaucht, endet über kurz oder lang an Beltane in einem Weidenmann. Das sind übrigens wunderbare kandierte Kumquats. Ich nehme mir noch davon.«
    Später hatte er Digweed von dem Gespräch erzählt, der diesmal nicht sein Ho-ho-ho lachte, sondern wieder sein trockenes Glucksen von sich gab und sagte: »Justin spottet eben gern. Aber er hat Recht. In Enscombe geht keiner verloren, so oder so.«
    Der Morgen am Weihnachtstag verlief gut, bis Wield zwischen den Geschenken unter dem Baum einen gefütterten Umschlag entdeckte, auf den in kindlicher Schrift
Erst zu Weihnachten öffnen
gekritzelt war.
    »Kam gestern mit der Post«, sagte Digweed mit übertriebenem Desinteresse.
    Wield riss ihn auf und fand eine Karte von klebrigstem Design mit den zuckersüßesten Weihnachtsgrüßen, dazu etwas, was in eine Papierserviette gewickelt war.
    Die Karte war unterzeichnet mit
An Edgar die besten Wünsche von deinem Freund Lee.
    Er packte die Serviette aus, zwei silberne Manschettenknöpfe mit seinem eingravierten Monogramm kamen zum Vorschein.
    Edwin stellte keine Fragen, aber sie hingen so schwer im Raum, dass Wield darauf auf seine knappe, barsche Art antwortete.
    Digweed hörte ihm zu, dann sagte er: »Du hast nicht daran gedacht, mir schon vorher von dem Jungen zu erzählen?«
    »Es war eine rein polizeiliche Angelegenheit.«
    »So«, sagte Digweed und blickte auf die Manschettenknöpfe und die Karte, »scheint es. Gibt es einen Namen für die Geschenke, die Polizisten von Kriminellen erhalten?«
    Mein Gott, dachte Wield. Familienquerelen, die zu häuslicher Gewalt führten, waren für einen Bullen an Weihnachten nichts Außergewöhnliches. Aber er hatte eigentlich nicht damit gerechnet, persönlich davon betroffen zu sein.
    »Er ist kein Krimineller«, sagte er. »Aber ich werde sie ihm sowieso zurückgeben.«
    »Um dem kleinen Liebling das Herz zu brechen? Sei nicht albern. Wenn du die Manschettenknöpfe nicht haben willst, dann nehm ich sie. Und den Leuten erzähle ich, die Initialen stünden für Elend und Wirrnis, das trifft auf mich zu.«
    Er drehte sich weg, seine

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