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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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freute, ihn zu sehen, dass Wield nicht daran dachte, sich ihm zu widersetzen, bis es zu spät war.
    Die Musik setzte ein.
    Wield erkannte den Song. Der alte Hit Anfang der Achtziger »Total Eclipse of the Heart«. O Scheiße, dachte er.
    Er sah Wim und seine Gäste, ihre freudestrahlenden Gesichter, hörte, wie sie ihn anfeuerten. Er fing Edwins Blick auf, sah, wie ihm vor gespielter Fassungslosigkeit die Kinnlade runterfiel und er ihn dann ermunternd anlächelte. Wenn er sich nun losriss und davonstapfte, würde es nicht nach Lampenfieber aussehen, sondern nach einem Streit zwischen Liebhabern.
    »Every now and then I get a little bit nervous that the best of all the years have gone by«,
sang Lee.
    Er besaß eine gute Stimme, eine richtige Bonnie-Tyler-Röhre, und als er sich der Stelle des Songs näherte, in der der Refrain zu schmettern war, drängte er den noch immer stummen Wield, mit einzustimmen.
    »For I need you tonight and I need you more than ever …«
    Scheiß drauf, dachte Wield. Mitgefangen, mitgehangen. Und er begann zu singen oder zumindest die Worte mit einer Stimme herauszukrächzen, die so zerklüftet und rissig war wie seine Gesichtszüge.
    »… forever’s gonna start tonight …«
    Als das abschließende
»Turn around, bright eyes«
verhallte, brach der Applaus über sie herein. Die Gäste zeigten sich begeistert, an Wims Tisch aber überschlugen sich alle, sie waren aufgesprungen, klatschten und johlten.
    »Das war toll, Mac«, sagte Lee. Seine Augen leuchteten. »Was bringen wir als Zugabe?«
    »Muss zu meinen Freunden zurück, einer Geburtstagsfeier, sorry«, sagte Wield.
    Der enttäuschte, verletzte Blick, der im Gesicht des Jungen das Leuchten ausknipste, ging Wield durch und durch.
    Er drückte ihm die Hand und ließ ihn dann los.
    »Hey, gutes neues Jahr, Lee«, sagte er. »Schön dich gesehen zu haben. Wir bleiben in Kontakt, was?«
    Es war fast ebenso schmerzhaft zu sehen, wie diese kleine freundliche Geste die Miene des Jungen wieder zum Strahlen brachte.
    »Ja, klar, Mac. Wir sehen uns. Viel Spaß noch bei deiner Feier.«
    Im Taxi auf dem Nachhauseweg sagte Digweed: »Lass mich raten, das war Lee Lubanski?«
    »Ja. Tut mir Leid, wenn ich dich damit in Verlegenheit gebracht habe.«
    »Was ist so schlimm daran, wenn Vater und Sohn ihren Spaß haben?«
    »Vater und Sohn«, wiederholte Wield. »Gibt es da nicht ein Gedicht von Larkin über Väter, die ihre Söhne kaputtmachen?«
    »Machen wir jetzt in Poesie, was? Ich muss mit dir wohl häufiger um die Häuser ziehen. ›Sie machen dich kaputt, deine Mum und dein Dad. Vielleicht nicht absichtlich, doch es passiert.‹ Meinst du das?«
    »Genau. Es passiert, ich hab’s erlebt. Und das macht mir Angst, Ed. Ich habe Angst, ich könnte dem Jungen Schaden zufügen.«
    Digweed legte Wield den Arm um die Schulter.
    »Ich hoffe nur, dass er das vorher nicht mit dir macht, Ed. Dass er das vorher nicht mit dir macht.«

[home]
    10
    Der Mönch
    8. Brief, erhalten: Montag, 7. Jan., per Post
    Fichtenburg am Blutensee
    Aargau
Montag, 31. Dezember
    Mein lieber Mr. Pascoe,
     
    ich bin, Gott sei’s gedankt, wieder sicher in der Fichtenburg. Das Wetter in Basel war überaus schlecht, sollte Beddoes ähnliche Unbilden erlebt haben, kann ich ihm wegen seiner suizidalen Neigungen keinen Vorwurf machen; außerdem kann ich gut verstehen, was Holbein dazu bewegte, dort seinen Totentanz zu entwerfen. Vielleicht lag die düstere Stimmung auch in mir. Seltsam. Ich war bislang immer sehr glücklich in Gesellschaft mit mir allein, das Vergnügen, das ich mit den anderen an Weihnachten erlebte, aber schien mich auf seltsame Weise berührt zu haben. Zum ersten Mal fühlte ich mich wirklich einsam.
    Ich hätte bereits nach vierundzwanzig Stunden ohne allzu großen Verlust für meine Recherchen zurückkehren können, doch war ich bestrebt, mich nicht unterkriegen zu lassen. Meine Karrierehoffnungen basieren zum größten Teil auf der Arbeit an Sams Buch, weshalb ich entschlossen bin, mir diese Chance nicht entgehen zu lassen. Überdies war es nun doch nicht komplette Zeitverschwendung. Ich fand zwar wenig, was über Sams Recherchen in Basel hinausging (ach, besäße ich nur Ihren detektivischen Spürsinn, der Sie in einen leeren Raum hineinführt und mit Hinweisen auf den Täter eines längst vergessenen Verbrechens zurückkehren lässt!), doch konnte ich einige seiner Spekulationen bestätigen, was mir schließlich das Gefühl vermittelte, dass er und (darf

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