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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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vergangenen Tagen jenem in Basel angepasst, es war trüb und nass, das Schlittschuhlaufen war verboten worden, da die eisige Oberfläche des Sees für unsicher erachtet wurde. Der Frost war jedoch in dieser Nacht zurückgekehrt, die Luft war wieder rein und klar, es war die reinste Freude, sich nach den Hitze- und Rauchschwaden des Festes ins Freie zu begeben. Dass Raucher als Aussätzige betrachtet werden, ist auf dem Kontinent weit weniger vorangeschritten als bei uns zu Hause, und selbst die Männer, die nicht rauchten, schienen eine
Silvesternacht
als unvollkommen zu erachten, wenn sie nicht riesige Tabakröhren in Brand steckten und sie sich in den Mund schoben.
    Ich stand nur da und sog in vollen Zügen die frische Luft ein. Sie mit Champagner zu vergleichen, mag an ein Klischee gemahnen, doch genau so fühlte es sich an: tiefe kühle Züge, die in den Adern moussierten und den Geist belebten.
    Hinter mir hörte ich knirschende Schritte im Schnee, es kam noch jemand aus der Burg. Linda. »Mein Gott, ich dachte, ich müsste ersticken, wenn ich noch länger dort drin bliebe«, sagte sie.
    »Ja«, antwortete ich. »Aber es war trotzdem ein großartiger Abend.«
    »Sie haben sich amüsiert, Franny? Das ist schön. Ich habe mir Sorgen gemacht, Sie könnten sich unter uns Politikerpack langweilen.«
    »Keinesfalls«, versicherte ich ihr. »Es war großartig.«
    Sie wirkte zufrieden, hakte sich bei mir ein und sagte: »Ich begleite Sie ein wenig durch den Wald, bis ich mich abgekühlt habe.«
    Und so schlenderten wir gemeinsam zwischen den Fichten, und ich muss ehrlich sagen, selten habe ich mich mehr in Einklang mit mir und der Welt gefühlt als in diesem Augenblick.
    Schließlich erreichten wir die verfallene Kapelle, die mich in der Nacht meiner Ankunft mit so großer abergläubischer Angst erfüllt hatte. Hier hielten wir inne. Plötzlich begann Linda zu zittern, ob der Umgebung oder einfach nur angesichts der durchdringenden Kälte wegen, weiß ich nicht. Aber mir erschien es als gänzlich natürlich, meinen Arm zu lösen, ihn ihr um die Schulter zu legen und sie nah an mich heranzuziehen, um von meiner Körperwärme abzugeben.
    Nun, dies war, als drückte man im Pentagon auf jenen Knopf, der den Dritten Weltkrieg auslöst!
    Sie drehte sich mir zu, und die Zunge, die ich Schlag zwölf hinten in meinem Rachen gespürt hatte, versuchte mir nun die Gehirnzellen aus dem Schädel zu lecken. Wie ein trunkenes Walzerpaar wirbelten wir zwischen den Ruinen, bis wir an der Mauer des Klostergangs zu stehen kamen. Irgendwann während unseres verrückten Tanzes waren Knöpfe aufgeknöpft, Häkchen enthakt, Reißverschlüsse aufgerissen worden, und plötzlich spürte ich an meinem Oberkörper die Hitze ihrer nackten Brüste, während die eisigen Klauen der Luft, die unterhalb des Gefriergrads lag, sich in meine Hinterbacken gruben! Es war, als tauchte man seinen Steiß in Dantes Cocytus, während man sein Glied ins Phlegethon tippte. Und wenn solche infernalischen Bilder ungalant erscheinen, kann ich mich nur durch den Kontext entschuldigen, denn über ihren Schultern erblickte ich, als wir uns paarten, eine ganze Wand voll gemalter Figuren, die das Gleiche zu tun schienen. In der Tat, als ich geräuschvoll dem Höhepunkt zustrebte, kam es mir vor, als würde eine dieser Figuren, eine finstere, mit Mönchskapuze bekleidete Gestalt, sich vom Fresko lösen und sich in den Wald davonstehlen.
    Danach kleideten wir uns schweigend und geschwind an, was (wie ich hoffe) mehr mit der Kälte als mit unserer Reue zu tun hatte.
    Dann berührte sie mit der Hand meine Wange und sagte: »Ein glückliches neues Jahr, Franny. Schlafen Sie wohl.« Und machte sich auf den Weg zur Burg.
    Ich blickte ihr nach, ging dann zum Rand der Mauer und betrachtete den Schnee.
    Frische Abdrücke von Riemensandalen zeichneten sich dort ab. Es gab in Fichtenburg nur einen, der Riemensandalen trug.
    Frère Dierick.
    Ich eilte zum Chalet zurück. Jacques, der kurz nach Mitternacht die Feier verlassen hatte, hing an seinem Handy und war bemüht, das Telefonat schnell zu beenden, als ich eintrat. Konnte es Emerald sein, mit der er sprach? Von Dierick war nichts zu sehen. Jacques sah aus, als hätte er sich mit mir gern noch unterhalten, doch ich entschuldigte mich wegen meiner Müdigkeit. Er hat einen scharfen Blick und ist von schneller Auffassungsgabe, und obwohl er sich vermutlich nicht in der Position befindet, den ersten Stein zu werfen, wollte ich dennoch

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