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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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schon geköderten Kunden entdeckt hatte, lächelte und mit dem Amerikaner im Schlepptau auf mich zustürzte.
    »Mr. Roote!«, sagte er. »Seien Sie willkommen, seien Sie willkommen. Freut mich so sehr, dass Sie sich zu uns gesellen konnten. Wir fühlen uns geehrt, sehr geehrt.«
    Nun ist man versucht, jeden, der so spricht, vor allem, wenn sein Akzent klingt, als spräche die Queen Cockney, der sich des Gehabes eines Shakespeare-Mimen aus dem neunzehnten Jahrhundert befleißigte und eine maßgeschneiderte Weste mit dazu passender Fliege trägt, als einen beknackten Lackaffen einzustufen. Doch Charleys Warnung klingelte mir noch im Ohr, weshalb ich nicht lauthals in Gelächter ausbrach. Das war auch gut so, denn Duerden sagte: »Franny, ich darf Sie unserem Gastgeber vorstellen, Sir Justinian Albacore.«
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Sir Justinian«, sagte ich.
    Der Lackaffe wedelte mit seiner lauen Hand. »Keine Titel, bitte. Für meine Leser bin ich J. C. Albacore, für Bekannte Justinian und für meine Freunde einfach nur Justin. Ich hoffe, Sie fühlen sich in der Lage, mich Justin zu nennen. Darf ich Sie mit Franny ansprechen?«
    »Ich wünschte, ich hätte auch einen Titel, den ich weglassen könnte«, sagte Duerden bissig.
    »Wirklich, Dwight? Die Liebe zum Altertümlichen, das müssen Cambridge und Amerika gemeinsam haben. Als ich in der heillosen Provinz arbeitete, hätten sie Steine nach mir geworfen, wenn ich meinen Titel gebraucht hätte. Aber hier im God’s wird das Altertümliche, in den Gegenständen wie in den Traditionen, höher geschätzt als alles andere. Unser liebstes Besitztum ist eine der frühesten Abschriften der
Vita de Sancti Godrici
, Sie müssen sie auf jeden Fall sehen, Franny, wenn Sie schon mal hier sind. Gentlemen …« – dies sprach er zu einer Gruppe distinguiert aussehender alter Furzer – »ich darf Ihnen Mr. Roote vorstellen, einen neuen Stern an unserem Firmament, von dem wir hoffen dürfen, dass er sehr hell brennen wird.«
    Wie Jeanne d’Arc, dachte ich. Oder Guy Fawkes.
    Während er so dahinplapperte, versuchte ich herausfinden, welches Spiel Albacore trieb. Hielt er mich wirklich für einen so naiven Tropf, dass er meinte, es würde reichen, mir ein hübsches Zimmer anzuweisen und mich vor den feinen Pinkeln in den Himmel zu loben, damit er mir Sams einzigartige Forschungsergebnisse aus der Nase ziehen konnte, um sie in seinem eigenen Buch zu verwerten?
    Wer von den Dekanatshöhen eines Cambridge College auf die Welt hinabsieht, verspürt vielleicht nur noch herzhafte Verachtung für all die kleinen Gestalten, die dort unten ihrem Treiben nachgehen. Falls dem so sei, versicherte ich mir großspurig, würde er bald feststellen müssen, dass er mich unterschätzt hatte.
    Stattdessen sollte mir bald bewusst werden, dass ich ihn unterschätzt hatte.
    Nach dem Empfang zogen wir alle in einen Vorlesungssaal um, wo der ordentliche Teil der Konferenz mit der offiziellen Eröffnung eingeleitet wurde, gefolgt von einer Grundsatzansprache durch Professor Duerden über das Thema »Imagination unseres Wissens: Romantik und Naturwissenschaft«.
    Ein durchaus interessanter Vortrag; er bewies trockenen Yankee-Humor (er stammt aus Connecticut; das Schicksal und eine Neigung zur Bronchitis hatten ihn nach Kalifornien verschlagen) und war Meister in der Kunst der Provokation, ohne sich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Ich hörte auf dem mir reservierten Platz in der ersten Reihe mit Interesse zu, war halb in Gedanken, aber noch immer bei dem Rätsel, das Albacore mir aufgab, dessen Pflichten als Konferenzvorsitzender ihn davon abgehalten hatten, weiter mein Ego zu hätscheln.
    Als aber der Vortrag und die sich anschließende Diskussion vorüber waren und sich alle auf ihre Zimmer zerstreuten, war mein neuer Freund Justin wieder an meiner Seite, steuerte mich mit der Hand am Ellbogen in den Innenhof und weg vom allgemeinen Strom der Delegierten.
    »Nun, was halten Sie von unserem transatlantischen Freund?«, fragte er.
    »Es war wirklich eine Ehre, ihn zu hören«, schwärmte ich. »Er weiß alles so wunderbar darzulegen, wobei ich zugeben muss, dass wohl vieles meinen Horizont übersteigt.«
    Ich hatte beschlossen, mir mit diesem Idioten einen kleinen Spaß zu erlauben, indem ich ihm den leidenschaftlichen, aber nicht allzu hellen Studenten gab und dabei sehen wollte, wohin es führte. Ich hatte nicht erwartet, dass meine Aufführung zynisches Gelächter provozieren

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