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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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würde.
    »Oh, das glaube ich nicht, junger Franny«, sagte er, noch immer glucksend. »Ich glaube, es müssen schon sehr tiefsinnige Gedanken sein, damit sie Ihren Horizont übersteigen.«
    Das klang nicht mehr nur nach Lobhudelei.
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    »Nein? Ich lasse Sie lediglich wissen, welch großen Respekt ich vor Ihren geistigen Fähigkeiten hege, lieber Junge.«
    »Das«, sagte ich, »schmeichelt mir sehr, aber Sie kennen mich doch gar nicht.«
    »Im Gegenteil. Ich kenne Sie seit schon langem, ich kenne Sie in- und auswendig.«
    Er blickte mich von seiner Höhe herab an, seine Augen funkelten wie ferne Sterne.
    Und plötzlich begriff ich.
    J. C. für die Leser. Justinian für seine Bekannten. Justin für seine Freunde.
    Und Jay für seine Frau.
    »Sie sind Amaryllis Haseens Ehemann«, sagte ich.
    Das alles erscheint jetzt so offensichtlich zu sein. Wahrscheinlich kamen Sie mit Ihrem wunderbaren detektivischen Verstand lange vor mir zu diesem Schluss. Aber Sie werden verstehen, warum diese Offenbarung mir beinahe die Sprache verschlug, vor allem, nachdem ich vorher an jenem Tag so viel Zeit darauf verwendet hatte, diesen Teil meiner Vergangenheit Ihnen zuliebe aufzubereiten. Nichts ist umsonst in diesem Leben, wie Frère Jacques predigt. Die Vergangenheit ist kein fernes Land. Sie ist nur ein anderer Teil des Labyrinths, das wir durchwandern, und es sollte uns nicht überraschen, wenn wir denselben Abschnitt aus einer anderen Richtung ein weiteres Mal betreten.
    Albacore klärte mich auf.
    »Meine Frau hat eine sehr hohe Meinung von Ihnen und Ihrem Potenzial, Franny. Sie meint, was die simple akademische Intelligenz anbelangt, können Sie mit nahezu jedem mithalten. Aber sie entdeckte in Ihnen noch eine andere Art von Intelligenz. Wie drückte sie es aus? Ein listenreicher Geist, ein Auge für die große Chance, flink im Denken, scharf im Urteil, skrupellos in der Umsetzung. O ja, Sie haben sie sehr beeindruckt.«
    »Und Sie auch, nach Ihrem Tonfall zu schließen«, sagte ich.
    »Kaum«, sagte er lächelnd. »Ich war amüsiert, als sie mir erzählte, wie Sie sie sauber in den Schwitzkasten nahmen. Zu dieser Zeit aber war ich auf dem Weg von der grässlichen Ödnis South Yorkshires zurück zu God’s eigenem College, und abgesehen von der klammheimlichen Freude, dass der liebe Sam Johnson mit einem gerissenen Galgenvogel als Doktoranden geschlagen war, verschwendete ich keinen Gedanken mehr an Sie. Bis ich natürlich vom traurigen Ableben des armen Sam hörte. Schaffte es leider nicht selbst zur Trauerfeier, ein Freund aber erzählte mir von der dramatischen Rolle, die Sie darin spielten, und ich dachte mir, hallo, ist das nicht dieser Kerl, wie heißt er noch? Dann hörte ich, dass Loopy Linda Sie zu Sams literarischem Nachlassverwalter oder Ähnlichem bestimmt hat, was der Zeitpunkt war, an dem ich Amaryllis bat, ihre alten Fallaufzeichnungen hervorzukramen.«
    »Es überrascht mich, dass Sie nicht einfach ihr Buch gelesen haben«, sagte ich.
    Er schüttelte sich. »Mein lieber Junge, ich kann es nicht ausstehen, wie sie schreibt. Das Thema trieft im Allgemeinen vor Langeweile, und ihr Stil ist psychobarbarisch, wie ich es nenne. Wie auch immer, das Interessanteste an ihren Sachen sind immer die Marginalien zu ihren Fallstudien. Und wenn sie sich nicht irrt, was selten der Fall ist, sind Sie jemand, mit dem ich ins Geschäft kommen kann.«
    »Wobei das Geschäft darauf hinausläuft, Sam Johnsons Beddoes-Forschungen umzuverteilen«, sagte ich.
    »Sehen Sie. Ich wusste, ich hatte Recht. Einen geschmeidigen Geist muss man nicht erst behutsam einseifen.«
    »Nein? Warum habe ich dann das Gefühl, dass mir nicht nur Honig ums Maul, sondern über den ganzen Körper geschmiert wird?«, frage ich. »Die Quästoren-Wohnung, die schmeichelhaften Bemerkungen.«
    »Proben«, sagte er. »Alles nur Proben. Wenn man sich zu einem Geschäft zusammensetzt, gönnt man seinem Handelspartner erst mal einen Blick auf das Angebot. Sie verstehen, ich weiß sehr gut, was Sie mir zu bieten haben, Sie aber dürften Ihre Zweifel hegen, was meine Offerte betrifft. Es ist sehr wenig, es sei denn, Sie wollen es, dann aber ist es die ganze Welt. Es ist …«
    Er vollführte die Geste eines Zirkusdirektors, die den Hof einschloss und die umliegenden Bäume und noch viel mehr.
    »Wenn Sie daran nicht interessiert sind, müssen wir nach anderen Anreizen Ausschau halten«, fuhr er fort.

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