Die Launen des Todes
»Aber wenn unser klösterliches Leben, in dem für den Intellekt und die Sinne so köstlich gesorgt und die einengende Moral fest auf ihren Platz verwiesen wird, eine starke Anziehungskraft auf Sie ausübt, wie ich nach der kurzen Begegnung mit Ihrer Person zu hoffen wage, dann können wir direkt ins Geschäft kommen. Ich habe Einfluss, ich habe Kontakte, ich weiß, wo viele Leichen begraben liegen, ich kann Sie auf die Überholspur Ihrer akademischen Karriere und in die kulturellen Talkshows bringen, wenn das Ihr Begehr ist. Ich kann Sie Verlegern und Lektoren vorstellen. Kurz gesagt, ich kann Euer Hüter, Euer Beschützer sein, steh an Eurer Seit’ in größter Pein. Also, schätze ich Sie richtig ein? Werden wir handelseinig?«
Das war ein offenes Wort. Er nahm absolut kein Blatt vor den Mund, war uneingeschränkt ehrlich, was immer Grund genug ist, äußerst argwöhnisch zu sein.
Es war an der Zeit, ihm genauso zu kommen und ihn damit auf die Probe zu stellen.
»Falls ich es wirklich auf all diese Dinge abgesehen habe, die Sie mir bieten«, sagte ich, »wer soll mich denn davon abhalten, sie mir selbst zu besorgen? Ich bin, wie Sie sagten, intelligent. Ich mag skrupellos manipulierend sein, wie Ihre Frau andeutet. Ihr Buch, nehme ich an, ist zum größten Teil nur eine Aufbereitung der wenigen bekannten Fakten zu Beddoes’ Zeit auf dem Kontinent, zweifelsohne ausgeschmückt mit dem, was Sie Sam abtrotzen konnten, bevor er sich Ihres perfiden Tuns bewusst wurde.«
Das saß. Nur ein unscheinbares Zucken, aber vom Syke her war ich es gewohnt, auf solche Dinge zu achten, denn wenn man es nicht tat, bedeutete es dort, dass man ein Schachspiel verlor. Oder ein Auge.
Ich ließ nicht locker.
»Wie Sie sicherlich wissen und was durch Ihr Interesse bestätigt wird, hat Sam eine beträchtliche Menge neuen und unterschiedlichsten Materials zu Tage befördert. Egal, in welcher Beziehung Ihr Buch zu seinem steht, gleichgültig, ob es davor oder danach erscheint, es wird immer in seinem Schatten stehen.«
Erneut hielt ich inne.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, sagte er.
»Ich will darauf hinaus, dass es keinen Grund gibt, um etwas zu handeln, was bereits in meiner Reichweite liegt.«
Er lächelte. »Sie meinen, Sie vollenden Sams Buch selbst, sonnen sich in dem Glanz, der doch eigentlich nur von ihm auf Sie abfällt, und beschreiten dann Ihren eigenen aufstrebenden Weg? Vielleicht könnten Sie das. Aber es ist ein harter Weg, an dem sich schon andere die Zähne ausgebissen haben. Natürlich können Sie nicht erwarten, dass ich zustimme, wenn Sie sagen, mein Buch würde in seinem Schatten stehen, aber ich bin mir sehr sicher, dass es ihm zumindest im Weg stehen wird. Aber wenn Sie jemanden finden, der gewillt ist, auf einen völlig Unbekannten zu setzen, dann nur zu, mein lieber Franny.«
Er wusste es. Der Dreckskerl wusste, dass Sams kleinmütige Verleger so kalte Füße bekommen haben, dass sie nun auf Frostbeulen herumlaufen.
Er bemerkte meine Reaktion und setzte nach.
»Wie geht’s übrigens Ihrer Doktorarbeit? Haben Sie schon einen neuen Doktorvater gefunden? Da fällt mir ein, vielleicht könnte ich Ihnen ja meine eigenen Dienste anbieten? Das hieße, Sie würden nach Cambridge ziehen, und wenn Sie nach Höherem streben, würde Ihnen in den oberen Gefilden nichts passieren, nicht wahr?«
Vielleicht hätte ich sagen sollen, weiche von mir, Satanas! Doch jeder Glaube an meine eigene göttliche Unverwundbarkeit, den ich einst gehabt hatte, war am Holm Coultram College verschwunden, als es Ihnen trotz meiner heftigsten Anstrengungen gelang, mich zu schnappen.
Deshalb, bitte verachten Sie mich nicht, sagte ich, ich würde es mir überlegen.
Ich dachte den gesamten Abend darüber nach, achtete kaum auf die Veranstaltungen, bei denen ich zugegen war, und nahm kaum etwas vom abendlichen Büffet, das für uns angerichtet wurde. (Morgen Abend gibt es ein großes offizielles Dinner, in der Zwischenzeit aber, vom Sherry einmal abgesehen, wird vor allem der Appetit des Geistes bedient.)
Und ich denke noch immer darüber nach, auch während ich das schreibe. Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich so unzumutbar ausufernd werde, aber auf der ganzen Welt gibt es keinen, mit dem ich so frank und frei reden kann wie mit Ihnen.
Zeit fürs Bett. Werde ich schlafen können? Ich dachte, ich hätte im Gefängnis gelernt, überall und jederzeit zu schlafen, heute Nacht jedoch wird es mir wahrscheinlich schwer fallen, ein Auge
Weitere Kostenlose Bücher