Die Launen des Todes
auch einen Namen?«
»Lee«, sagte der Junge, als er das Bein über den Soziussitz schwang. »Und du?«
»Du kannst mich Mac nennen. Halt dich fest.«
Der Junge ignorierte den Ratschlag und saß locker auf dem Sitz, als sähe er keinerlei Notwendigkeit, sich sicher zu verankern. Wield sagte nichts, beschleunigte entlang des Parkplatzes, bis die Linden zu verschwimmen begannen, bremste ab und schwang die Maschine zwischen ihnen hindurch, um zur Straße zurückzukehren. Er lächelte, als er spürte, wie die Arme des Jungen sich um seine Hüfte legten und sich dort festklammerten.
Turk’s Café lag im Windschatten des Hauptbahnhofs. Es bot nicht viel, war schmuddelig, am Rand zur Verwahrlosung, hatte aber den Vorteil, dass es bis spät in die Nacht geöffnet hatte, um, so der theoretische Ansatz, hungrige Reisende versorgen zu können, nachdem die Snackbars am Bahnhof früh am Abend ihre Rollläden runterließen. Tatsächlich bestand die nahezu permanent anwesende Stammkundschaft aus einsamen Männern in schäbigen Parkas, die über leere Kaffeetassen gebeugt waren und bei denen wenig darauf hinwies, dass sie irgendwohin reisten. Die einzige Person, die irgendwelche Lebenszeichen von sich gab, und das auch nur, um die Kunden schleppend und missmutig zu bedienen, war der mürrische und schweigsame Besitzer, der Türke, der dem Café seinen Namen verliehen hatte und dessen Kaffee Grund genug war, um das Land aus der EU fernzuhalten, Menschenrechtsverletzungen hin oder her, dachte sich Wield, während er dem Jungen zusah, wie er eine Coke trank und in ein Stück klebrigen Käsekuchen biss.
»Also, Lee«, sagte er, »was ist passiert?«
Der Junge sah zu ihm auf. Er hatte, als Wield den Helm abnahm und ihm die ganze Hässlichkeit seines Gesichts präsentierte, angeborene Höflichkeit oder angeborene Gleichgültigkeit an den Tag gelegt, jetzt jedoch musterte er ihn mit scharfem Blick.
»Nichts. Nur ’ne kleine Auseinandersetzung.«
»Hast du den Typen im Wagen gekannt?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Könnte eine Rolle spielen, ob es ein Familienvater war oder irgendein Verrückter, der herumkurvt und Kinder kidnappen will.«
Der Junge zuckte die Achseln, kaute auf einem Stück Kuchen herum und spülte es mit Coke hinunter. »Worauf willst du hinaus?«
»Was meinst du?«
»Mischst dich in diese Sache ein.«
»Du meinst, ich hätte einfach weiterfahren sollen?«
»Vielleicht. Die meisten würden es tun.«
»Ich nicht.«
»Okay, die Unterhaltung, das hier …« Er fuchtelte mit der Gabel und dem darauf aufgespießten letzten Kuchenstück in der Luft, bevor er es verschlang. »Wozu das Ganze? Bist du irgendein Wohltäter?«
»Klar«, sagte Wield. »Ich kauf dir noch einen Kuchen und rette damit deine Seele.«
Das amüsierte den Jungen. Wenn er lachte, wirkte er wieder so jung, wie Wield ihn ursprünglich geschätzt hatte. Andererseits machte ihn seine Abgebrühtheit um einige Jahre älter.
»Okay«, sagte er. »Und noch ’ne Coke.«
Wield ging zur Theke. Der Käsekuchen sah aus, als würde er gegen jegliche, jemals aufgestellte Ernährungsregel verstoßen, der Junge allerdings hatte es nötig, dass er ein wenig zulegte. Pass auf, Edgar, nahm er sich selbst auf den Arm. Du denkst schon wie deine Mutter! Ein Gedanke, der ihn dazu veranlasste, für sich ein Schinken-Sandwich zu besorgen. Edwin würde sich wieder reichlich verstimmt zeigen, wenn er noch später als angekündigt nach Hause kam, noch dazu, wenn er mit seinen »abscheulichen Kantinengewohnheiten« den harmonischen Tenor ihrer unverfälschten Küche störte.
Als er wieder Platz nahm, verzog der Junge beim Anblick des Sandwichs das Gesicht. »Das willst du essen? Er macht sie aus den illegalen Einwanderern, die den Trip nicht überleben.«
»Ich riskier es einfach«, sagte Wield. »Gut. Und jetzt zu deiner Seele.«
»Die ist schon längst verraten und verkauft. Was treibst du so?«
»Sorry?«
»Was machst du, um Kohle zu verdienen? Mal sehen …«
Er nahm Wields linke Hand und strich mit dem Zeigefinger sanft über die Innenfläche.
»Du bist nicht bei der Marine, Mac«, sagte er. »Und ein Gehirnchirurg bist du auch nicht.«
Wield zog abrupter die Hand zurück, als er beabsichtigt hatte. Der Junge grinste.
Er hat mich durchschaut, dachte Wield. Nur ein paar Minuten, und er kennt mich in- und auswendig. Wie kann er so gerissen sein für sein Alter? Und, zum Teufel, welche Signale sende ich aus? Ich habe ihm gesagt, er soll mich Mac
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