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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Einbrecher keinerlei Anziehungskraft aus. Einen Computer andererseits lohnt es sich durchaus zu stehlen, das Gleiche gilt für Disketten. Außerdem kann sich keiner in ein Manuskript einhacken, um zu sehen, woran ich gerade arbeite, oder in wenigen Sekunden Ausschnitte daraus kopieren, um mir mit meinen Ideen zuvorzukommen. Ihre elektronischen Worte, mein lieber Dwight, sind im Vergleich dazu die übliche im Umlauf befindliche Währung. Jemand hustet einen halben Kontinent entfernt, und Sie fangen sich einen Virus ein.«
    Ich unterband, was auf eine provozierende Verteidigung des Computers hinausgelaufen wäre, indem ich Albacore fragte, inwiefern sein Buch dazu beitragen könne, Beddoes von den kalten Randbezirken der romantischen Literatur Großbritanniens in sein warmes Zentrum zu bringen.
    »Ich versuche es noch nicht einmal«, gab er zurück. »Meine These lautet, um ihn verstehen zu wollen, dürfen wir ihn nicht als zweitrangigen englischen, sondern als bedeutenden europäischen Autor behandeln. Er war – völlig zu Recht in der damaligen Periode unserer Geschichte – ein sehr guter Europäer. Byron ist der Einzige, der ihm darin nahe kommt. Beide liebten Europa, nicht nur, weil es dort wärmer und billiger war als zu Hause, sondern wegen seiner Geschichte, seiner Kultur und seiner Menschen.«
    Er führte dies noch eine Weile lang aus, sprach mich beinahe direkt an. Fast als wollte er, nachdem er unseren kleinen Wettbewerb gewonnen hatte, die Erinnerung an unser Armdrücken und die annähernde Bestechung beiseite schieben und demonstrieren, dass er ein ernsthafter Beddoes-Gelehrter war.
    Auch die anderen lauschten glückselig, saßen in den tiefen Lederarmsesseln und auf dem Sofa, die der weitläufige Raum bereithielt, tranken aus ihren riesigen Schwenkern Brandy und pafften an ihren echten Havannas, bis der aromatische Rauch beinahe die Stuckdecke verhüllte. Manchmal denke ich mir, dass es nicht das geringste Philistertum des zwanzigsten Jahrhunderts war, die Kunst des Tabakgenusses zerstört zu haben. Wie der Dichter sagt, ein Fick ist nur ein Fick, eine gute Zigarre aber ein Genuss.
    Lange bevor Albacore sein Publikum langweilte (große Redner sind auch Meister des Timings), hörte er auf, über Beddoes zu reden, und lud uns alle ein, das Exemplar der
Vita S. Godrici
zu bewundern, das er mir gegenüber bereits erwähnt und das er aus dem Sicherheitsbereich der Universitätsbibliothek geholt hatte, damit wir uns an ihm delektieren konnten. Für die meisten unter uns genügte es bereits, etwas so Schönes und Altes anfassen zu dürfen, Dwight allerdings, bar jeden Schamgefühls gegenüber Geld, was zum Kennzeichen des zivilisierten Amerikaners gehört, brachte es auf den Punkt: »Wie viel würde das Ding auf dem freien Markt denn so bringen?«
    Albacore lächelte. »Wieso, das hier ist eine Perle, die wertvoller ist als Ihre ganze Sippschaft zusammen. Überlegen Sie nur, was Sie hier vor sich haben. Das zeitgenössische Buch über das Leben eines Zeitgenossen, geschrieben von einem Mann, der Godric in seiner Hütte in Finchale persönlich besucht hat, nämlich Reginald von Durham, selbst ein Mann von solcher Frömmigkeit und Gelehrsamkeit, dass, so sagt die Überlieferung, diese Eigenschaften auf alle nachfolgenden Schreiber übergehen, die seinen Namen und Titel tragen. Mit anderen Worten, Sie berühren hier ein Buch, das die Hand des Mannes berührte, der die Hand des Heiligen selbst berührte. Wer kann für so etwas schon einen Preis nennen?«
    »Nun«, sagte Dwight nicht im Geringsten eingeschüchtert, »ich kenne einen Händler an der St. Poll, Trick Fachmann mit Namen, der bereit wäre, es mal zu versuchen.«
    Sogar Albacore lachte. Die Unterhaltung erstreckte sich von nun an auf das eher Allgemeine, sie floss wie Quecksilber von Zunge zu Zunge, auf Gutes folgte Gutes, Weisheiten und Witz verteilten sich in verschwenderischer Fülle, und ich spürte Tränen in den Augen ob des Privilegs und der Freude, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, an diesem Ort, zu dieser Zeit.
    Gält’ es jetzt zu sterben, jetzt wär’ mir’s höchste Wonne.
    Ewig hätte ich dort bleiben können, doch alle Dinge haben ihr natürlich vorherbestimmtes Ende, und schließlich zerstreuten wir uns, manche zu ihren Studentenunterkünften, Dwight und ich auf unstetem Weg zurück in unser Quästorenquartier, Arm in Arm uns gegenseitig stützend.
    Ich entkleidete mich und stieg ins Bett, konnte aber keinen Schlaf finden. Zunächst

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