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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Hoffnungen, all die herrlichen Träume über meine Zukunft in Cambridge, ich hatte sie nur ein einzige Nacht.
    Was bin ich doch nur für ein armer Mensch, wie?
     
    Noch eine Unterbrechung, diesmal hoffentlich definitiv die letzte!
    Während ich den letzten, selbstmitleidigen Satz schrieb, kam Dwight in mein Zimmer und fragte mich mit amerikanischer Unverblümtheit: »So, Franny-Boy, wie sehen jetzt Ihre Pläne aus?«
    »Pläne?«, sagte ich verbittert. »Für Pläne braucht man eine Zukunft, doch die scheine ich nicht zu haben.«
    Er lachte nur. »Mein Gott, Fran, kommen Sie mir nicht auf die weinerliche Tour. Das bringt nichts … Sie haben doch eine große Zukunft vor sich. Nach allem, was ich in den letzten Tagen aufgeschnappt habe, haben Sie ein halbfertiges Buch über Beddoes geerbt, und nach dem, was letzte Nacht geschah, ist der Weg jetzt frei. Sagen Sie, haben Sie irgendeinen Vertrag mit einem britischen Verleger?«
    »Nein«, sagte ich und erklärte ihm die Situation.
    »Aber besteht denn die Möglichkeit, dass diese Typen auf Sie zukommen und behaupten, Sie hätten wegen des Vorschusses ein Anrecht auf alles, was Dr. Johnson bislang geschrieben hat?«
    »Nein. Ich habe mir eine schriftliche Verzichtleistung aushändigen lassen. Das erschien mir ganz vernünftig …«
    »Das will ich aber meinen!«, stimmte er zu. »Dann können Sie sich jetzt also dransetzen und das Buch fertig schreiben, so wie Sie es wollen, und sich einen Namen schaffen, was?«
    Ich dachte darüber nach. Dieser Aspekt der Tragödie war mir bislang noch gar nicht in den Sinn gekommen. Wahrlich, Gott beschreitet rätselhafte Wege!
    »Schon mal daran gedacht, es in den Staaten zu veröffentlichen?«, sagte er. »Dort herrscht reges Interesse an Beddoes. Und eine Menge Kohle ist auch da, wenn man weiß, wo man zu suchen hat.«
    »Wirklich?«, sagte ich. »Dann wünschte ich, ich wüsste, wo ich zu suchen habe!«
    »Ich weiß es«, sagte er. »Vor kurzem hat sich der Verlag meiner Universität bei mir gemeldet. Ich sag es ihnen ja schon seit Jahren, aber anscheinend sind sie erst jetzt aufgewacht: Entweder sie erweitern ihr Programm, oder sie gehen unter. Ich will Ihnen was sagen, ich werde jetzt packen, dann fahr ich nach London hoch …«
    »Runter«, sagte ich.
    »Wie bitte?«
    »Von Cambridge aus fährt man nach London oder jedem anderen beliebigen Ort immer runter.«
    Er kam nah an mich heran. »Hören Sie, Fran, das genau ist das Denken, das Sie sich aus dem Kopf schlagen sollten. Gut, Cambridge war mal ein Ort, der angesagt war, aber das war zu jener Zeit, in der heute die Kostümfilme spielen. Nichts steht still. Entweder du gehst weg, oder es macht sich vor dir davon. Zum Teufel, vor kurzem war ich in Usbekistan, und da ich ein alter Romantiker bin, wollte ich einen Blick auf den Aralsee werfen. Nun, ich bin also dahin, wo mein alter zerschlissener Baedeker mich hinlotste, und wissen Sie, was ich da gefunden habe? Nichts. Wüste. Die Russkis haben über einen so langen Zeitraum Wasser abgeleitet, dass der See auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe geschrumpft ist. Ich sprach dann mit einem alten Kerl, der noch in dem Haus lebt, in dem er geboren wurde, und der zeigte auf den rissigen, steinigen Boden vor seinem Eingang und sagte, als Kind sei er an den Sommermorgen nackt aus dem Haus gerannt und in die Wellen gesprungen. Jetzt muss er verdammt noch mal dafür zweihundert Meilen weit rennen! Mit Cambridge ist es genauso. Alles ist ausgetrocknet. Schauen Sie sich genau um, und was sehen Sie? Alte Filmkulissen. Einst hat man da ein paar gute Sachen gedreht, aber mittlerweile sind die Kameras und die Scheinwerfer und der ganze Trubel weitergezogen. Nichts ist so traurig wie alte Filmkulissen, die man stehen gelassen hat, damit sie im Regen vermodern. Denken Sie darüber nach, Fran. Ich werde in einer Stunde fahren. Ich hoffe, Sie kommen mit.«
    Nun, danach musste ich spazieren gehen, um den Kopf freizubekommen. Ein weiteres Mal schlenderte ich durch die
Backs
. Nur diesmal betrachtete ich die Gebäude mit ganz anderen Augen.
    Und wissen Sie, was ich diesmal sah? Keine Tempel der Schönheit und Gelehrsamkeit, nicht den friedlichen Hafen, in dem ein Mann Anker werfen und auf ewig seinen Landaufenthalt genießen kann.
    Nein, ich sah es mit Augen, von denen Dwight die Schuppen genommen hat, und was ich sah, waren alte Filmkulissen, die im Regen verteufelt traurig wirkten!
    Warum um alles in der Welt wollte ich in einer Bruchbude

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