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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wärst ja fast an die Decke gegangen, als der Antrag eingereicht wurde, es aus Gründen der ethnischen Diskriminierung zu verbieten. Was hast du damals gesagt? ›Erst knickt man hier ein, und als Nächstes sind Truthahnbraten und Papadams dran.‹ Und jetzt willst du nicht hin! Du bist doch sehr konfus, DCI Pascoe.«
    »Natürlich will ich hin. Ich hab sogar Onkel Andy gebeten, mir dafür das göttliche Imprimatur zu erteilen. Ich mach mir nur Sorgen, dass eine Engelrolle ohne Text Rosie nicht besonders zufrieden stellen wird.«
    »Wenigstens hat Miss Martingale sie davon überzeugen können, dass es keine so gute Idee wäre, wenn Tig in der Krippe liegen würde, und das Klarinettensolo wird sie ihr zweifellos auch noch ausreden.«
    »Vielleicht. Aber vergangenen Abend hat sie mir gesagt, es komme ihr doch seltsam vor, dass die Engel nicht herabkamen und den Herbergswirt nach Strich und Faden verprügelten, als er zu Maria sagte, er habe kein Zimmer frei.«
    »Ein berechtigter Einwand«, sagte Ellie. »Hat auch für mich noch nie viel Sinn ergeben, wenn man die Macht hat und sie nicht einsetzt.«
    Er küsste sie und ging. Sie hatte Recht, wie immer, dachte er. Er war ziemlich konfus, er war alles andere als das kühle, rationale, nachdenkliche, reife Wesen, an das Franny Roote vorgab zu glauben.
    Der ungelesene Brief beulte seine Tasche aus. Vielleicht sollte er ungelesen bleiben. Welches Spiel Roote auch immer treiben mochte, es waren dazu ganz klar zwei Spieler nötig.
    Andererseits, warum sollte er sich vor einem kleinen Wettbewerb drücken? Was hatte Ellie soeben gesagt? »Hat auch für mich noch nie viel Sinn ergeben, wenn man die Macht hat und sie nicht einsetzt.«
    Er bog aus dem morgendlichen Verkehrsstrom in eine ruhige Seitenstraße und suchte sich einen Parkplatz.
    Es war ein langer, langer Brief. Nach zwei Dritteln griff er zur Morgenzeitung, zu der er bislang nicht gekommen war, und fand im Innenteil, wonach er gesucht hatte.
    »O, du Dreckskerl«, sagte er, las den Brief zu Ende, ließ den Wagen an, drehte um und reihte sich angriffslustig in den Verkehrsstrom ein.

3. Brief, erhalten: Montag, 17. Dez., per Post
    St. Godric’s College
Cambridge
    Sonntag, 16. Dez.
(sehr früh!)
    Mein lieber Mr. Pascoe,
     
    so schnell schon wieder! Aber wie viel Zeit doch vergangen ist, gemessen an den Pendelschlägen meiner Empfindungen!
    Beschwingt von dem Gefühl, eine weise Entscheidung getroffen zu haben, die noch dazu Ihre Zustimmung finden würde, ging ich heute Abend hinunter zum Dinner, warf dabei den letzten Brief ein und traf Albacore, der mir eine Auswahl trockenen oder sehr trockenen Sherrys anbot. Ich stellte meine Unabhängigkeit zur Schau, wies beides zurück und verlangte Gin. Dann, weil ich mich erholen und meinen Spaß haben wollte, ließ ich mich erweichen und sagte ihm, dass ich mich vorbehaltlich gewisser Einzelheiten und Sicherheitsvorkehrungen auf sein Angebot einließe.
    »Ausgezeichnet«, sagte er. »Mein lieber Franny, ich könnte nicht mehr erfreut sein. Amaryllis, meine Liebe, komm und erneuere eine alte Bekanntschaft.«
    Sie hatte sich nach meinem Vortrag nicht mehr blicken lassen, hier aber war sie wieder, in einem hauchdünnen Seidenkleid, das so kurz geschnitten war, dass es einem Mann auf der Stelle jeden Ansporn zum Ruhm raubte. Sie begrüßte mich wie einen alten Freund, küsste mich auf die Lippen und plauderte über andere Häftlinge im Syke, als würden wir uns über alte Bekannte vom Tennisclub unterhalten.
    Es war wirklich eine ganz exzellente Nacht. Alles – die Umgebung, das Essen, der Wein, die Atmosphäre, die Unterhaltungen – bestätigte die Weisheit meiner Entscheidung. Da es zu wenige weibliche Konferenzteilnehmer gab, um die übliche Geschlechterabfolge einzuhalten (auch Akademia ist ein Land, in dem Gleichberechtigung herrscht, doch sind nicht alle
so
gleich), wurde ich zwischen Amaryllis und Dwight Duerden platziert, und der Druck ihres Oberschenkels, den sie zu häufig ausübte, um als zufällig erachtet zu werden, ließ mich fragen, ob diese glückliche Nacht nicht in jeglichem Sinn zu einem passenden Höhepunkt geführt werden könnte.
    Glücklicherweise vielleicht ergab sich die Gelegenheit nicht. Nach dem Dinner lud Albacore einige unter uns (die Auserwähltesten und mich) in die Wohnung des Dekans, alles Männer außer Amaryllis. Sie zog sich bald zurück, als die Zigarren ausgepackt wurden und die Luft sich mit aromatischem Rauch verdickte. Das alles

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