Die Launen des Todes
war entzückend altmodisch, ich liebte es.
Albacore behandelte mich mittlerweile wie einen jüngeren Bruder. Als Dwight einen Rundgang durch die Wohnung erbat, legte er mir den Arm um die Schulter, und wir beide führten die Gruppe an.
Die Dekanwohnung war eine Art Annex aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert, das dem ursprünglichen Universitätsgebäude angepfropft worden war, und musste eine Zeit lang wie eine neue Nase im Gesicht eines alternden Stars herausgestochen haben. Cambridge jedoch besitzt die zauberhafte Gabe, alles Neue in sich aufzunehmen und es mit liebender Sorgfalt abzutragen, bis es letztlich ebenfalls Teil des zeitlosen Ganzen wird. Es war ein schönes altes Gebäude, das jene Atmosphäre ausstrahlte, die ich an mit Leben erfüllten Kirchen so sehr liebe, unendlich prächtiger als die Quästorensuite (wie muss erst das Domizil des Rektors aussehen, ein kleines Herrenhaus auf einer grasbestandenen Kuppe mit Blick auf den Fluss?) und voll gepackt mit Möbeln, Statuen und Gemälden, die stilistisch eigentlich ein wahres Sammelsurium darstellten, hätten sie sich nicht in die alles harmonisierende Aura dieser magischen Welt eingefügt.
Mich gelüstete danach; Justin erkannte wohl meine Sehnsucht, und ich spürte, wie mich dies immer enger mit seinen Wünschen verband und mich fester an ihn schmiedete, je weiter unsere Tour fortschritt.
Das Arbeitszimmer war für mich das Sanctus sanctorum, von fahlem religiösem Licht erhellt, die mit Büchern bedeckten Wände atmeten den herrlichen Duft alten Leders und Papiers, für mich der Weihrauch der Gelehrsamkeit. In der Mitte stand ein wunderbarer alter Schreibtisch, mit Schnitzereien verziert, darauf eine Lederunterlage, die groß genug war, damit Pygmäen darauf hätten Tennis spielen können.
Dwight, vielleicht verstimmt, weil er sich in der Hackordnung des Dekans hinter mir fand, sagte: »Wie zum Teufel können Sie in dieser Düsternis arbeiten? Und wo haben Sie Ihren Computer versteckt?«
»Meinen was?«, rief Albacore indigniert aus. »Computer können mir gestohlen bleiben! Mein Verleger meinte, dass es zugunsten der Geschwindigkeit von Vorteil wäre, wenn er mein Beddoes-Buch auf CD - ROM gebrannt – oder Scheibe, wie er sich auszudrücken pflegte – bekäme. Worauf ich ihm erwiderte: ›Sicher doch, wenn Sie mir eine genügend große Scheibe Carrara-Marmors und einen monumentalen Steinmetz besorgen können, der meine Worte transkribiert!‹ Sie drücken Tasten und produzieren Buchstaben auf einem Bildschirm, und was haben Sie davon? Nichts! Einen elektronischen Tremor, den eine Unterbrechung der Stromversorgung zerstören kann. Zeigen Sie mir ein großes Werk, das per Textverarbeitung geschaffen wurde. Wenn ich mit meinem Stift schreibe, schreibe ich auf meinem Herzen, und was darin eingeschrieben ist, muss Gott schon mit einem Gummi ausradieren.«
Dwight, der vermutlich sogar ein computergesteuertes Klo sein Eigen nennt, war hinreichend betrunken, um seinem Gastgeber mitzuteilen, dass er Stuss erzähle, und da ich nicht wollte, dass diese von mir so sehr genossene Atmosphäre durch Meinungsverschiedenheiten einen säuerlichen Beigeschmack erhielt, versuchte ich mich an einer leichtherzigen Ablenkung.
»Gott benutzt Gummis?«, sagte ich. »Muss dann aber wohl geplatzt sein, als er in Maria fuhr.«
Solch vulgäre Blasphemie wird am Hohen Tische augenscheinlich sehr goutiert. Wie Kinder, die Arsch sagen, sagte Charley Penn, erfreuen sie sich an ihrer eigenen Ungehörigkeit. Jedenfalls funktionierte es hier so, jeder reagierte mit seinem Verständnis von Amüsement, die hochwohlgeborenen Briten mit kopfnickendem Glucksen, was in ihrer Klasse als Gelächter durchgeht, der Plebs mit lautem Gewieher und Dwight und einige andere Amerikaner mit einer Art brüllendem Gejohle.
Danach fragte Dwight in versöhnlichem Tonfall, wie Justin denn dann arbeite, und Albacore, der sich nun entschuldigte, ein dummer alter Maschinenstürmer zu sein, zeigte ihm sein kompliziert aufgebautes, aber ganz offensichtlich höchst effizientes Karteikartensystem und öffnete Schubladen mit unzähligen Blättern im 34,2 × 43,1-Zentimeter-Format (kein vulgäres A4 für unseren Justinian), dicht beschrieben mit seinem eleganten Gekritzel.
»Und das ist Ihr neues Buch?«, sagte Dwight. »Nur ein Exemplar? Mein Gott, können Sie nachts denn ruhig schlafen?«
»Sehr viel leichter als Sie, vermute ich«, erwiderte Albacore. »Meine handbeschriebenen Blätter üben auf
Weitere Kostenlose Bücher