Die Launen des Todes
Verschwörung zum Opfer gefallen sein. Aber sicherlich wissen Sie das alles bereits, Mr. Pascoe, waren doch Sie und die Fettwampe nach Dees Tod als Erste am Tatort und gelten so in seinen Augen als die Oberhäupter der Verschwörung! Charley hegt anscheinend die schaurig-romantische Vorstellung, dass seine anklagende Anwesenheit in der Stadtbibliothek, wenn Ms. Pomona dort im Dienst ist, sie über kurz oder lang mürbe machen und ihr ein Geständnis abringen würde.
Ich kann nicht behaupten, dass ich allzu sehr erfreut war, ihn zu sehen. Ich war voller Tatendrang, aber ich schulde ihm einiges an Freundlichkeit und konnte seine Einladung auf Kaffee und Plausch nicht guten Gewissens ablehnen.
Als wir unseren Kaffee tranken, erzählte ich ihm von meinen aufregenden Erlebnissen in Cambridge, die er leidlich unterhaltsam fand, aber es war ihm anzumerken, dass er in Gedanken ganz woanders war.
»Charley«, sagte ich schließlich, »Sie wirken ein wenig niedergeschlagen. Geht’s mit dem Buch schlecht voran?«
»Nein, es geht ganz wunderbar, nur manchmal frage ich mich, was das alles soll. Heine, Beddoes, wir reißen uns den Arsch auf, um das ›definitive Werk‹ zu schaffen, das es natürlich nie ist. Im besten Fall ersetzt es das vorangegangene definitive Werk, und wenn wir Glück haben, kratzen wir ab, bevor es vom nächsten ersetzt wird. Warum tun wir uns das an, Fran?«
»Das wissen Sie sehr gut«, sagte ich etwas großspurig. »Wir sind auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Wahrheit.«
»Ach ja? Nun, es gibt nur eine Wahrheit, hinter der ich her bin, und bislang hab ich nichts erreicht.«
O Gott, dachte ich. Darum geht’s also. Dick Dee ist unschuldig, okay!
»Charley«, sagte ich, »wenn Sie bislang nichts erreicht haben, liegt das vielleicht daran, dass es nichts zu erreichen gibt.«
Er schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht. Aber sie sind clever, das muss ich ihnen lassen. Das ist eine verdammte Akte X. Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen, unter Andy Dalziels fetten Arschbacken oder im zusammengekniffenen Hintern von diesem Pascoe. Ich wollte es allein angehen, leider muss ich zugeben, dass ich Hilfe benötige, worauf ich nicht besonders stolz bin. Wenn die Behörden mir nicht zuhören wollen, dann habe ich Freunde, die das tun!«
Ich war mir nicht ganz sicher, was er damit meinte. Ich glaube nicht, dass er sich irrt, wenn er meint, er benötige Hilfe, aber ich befürchte, es ist nicht die Hilfe, die er im Sinn hat. Nun könnte ich Spekulationen anstellen, doch das werde ich tunlichst vermeiden. Offen gesagt, wenn Charleys Obsession zu illegalen Dingen führt, will ich es nicht wissen. Jemand in meiner Lage muss darauf achten, dass seine Beziehung zum Gesetz auf einer offenen und eindeutigen Basis steht.
Weshalb ich mich dazu veranlasst sehe, Ihnen meine Ängste zu offenbaren; ich fürchte, Charley ist so davon besessen, die Unschuld seines Freundes zu beweisen, dass er beinahe zu allem fähig ist.
Ich tue dies nicht, um ihn anzuzeigen – meine Zeit im Syke hat mich unrettbar darauf konditioniert, Polizeispitzel als die niedrigste Lebensform anzusehen –, sondern in der aufrichtigen Hoffnung, dass Sie, wenn Sie von Charleys Geisteszustand wissen, ihn vielleicht von jeglicher Unbedachtheit oder, schlimmer noch, gesetzeswidrigen Handlungen abhalten können.
Genug davon. Bei der Rückkehr in die Bibliothek musste ich feststellen, dass mir Charleys Anwesenheit am Tisch nebenan zunehmend unangenehm wurde. Mir war, als säßen auf meiner Schulter Poes Rabe oder Beddoes’ alte Krähe von Kairo, die dort etwas ausbrüteten (Letztere übrigens, darauf hat Sam immer amüsiert hingewiesen, ist homophon mit dem christlichen Monogramm
chi-rho
; ein hübscher Einfall, den er über eineinhalb Seiten spielerisch ausbreitete, bevor er ihn verwarf). Obwohl ich, wie ich bereits sagte, nur höchst ungern in meiner Arbeit unterbrochen werde, empfand ich es daher als Erleichterung, als mein Handy zu vibrieren begann.
Es war zu meiner Überraschung Linda, die aus Straßburg anrief. Sofort malte ich mir aus, dass Emerald mit ihr telefoniert und ihr gesagt hatte, sie habe mich kennen gelernt, und ich sei der einzige Mann auf Erden, der für sie in Frage komme! Zu welchen Idioten der Sex uns werden lässt, nicht wahr?
Natürlich ging es nicht darum, obwohl sie von meinem Treffen mit Emerald wusste, da sie mit Jacques gesprochen hatte. Was sie mehr beunruhigte, waren die Ereignisse am God’s, von denen sie
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