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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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anscheinend als jüngere Klone von Linda vor. Verstehen Sie mich nicht falsch. Obwohl Linda bei weitem nicht als schön im herkömmlichen Sinn bezeichnet werden kann, ist sie auf ihre bemerkenswerte Art nicht unattraktiv, ähnlich der Pele-Towers an der schottischen Grenze, die aufgrund ihres Alters und Verwitterungszustands mit einer romantischen Patina überzogen sind. In ihrer Jugend allerdings, nehme ich an, dürfte Linda ähnlich dieser Türme kurz nach ihrer Errichtung regelrecht einschüchternd gewesen ein!
    Emerald dagegen …! Wie soll ich sie Ihnen vermitteln? Denken Sie an den Sommer, an Sonnenschein, an goldene Rosen, die die Laube mit schwerem Duft erfüllen, denken Sie an sanfte, weiße Tauben, die durch die klare blaue Luft gleiten – ach, denken Sie an das, was Ihnen am liebsten, lebhaftesten, begehrenswertesten erscheint in der Welt des Fleisches und des Geistes, und Sie haben vielleicht eine schwache Vorstellung von diesem blonden Juwel.
    Klinge ich, als wäre ich verliebt? Vielleicht bin ich es. Es gibt für alles ein erstes Mal!
    Mir wurde (viel zu ausführlich?) erklärt, dass auch Emerald unerwartet aufgetaucht sei und Jacques in der Wohnung vorgefunden habe. Da sie zur Familie gehört, bedurfte es bei ihr nicht der Vermittlung durch die Alte – sie besitzt einen eigenen Schlüssel. Sie war ins Zimmer geplatzt, während er noch mit seiner Toilette beschäftigt war, ihre natürliche Spontaneität und seine kontinentale Kaltblütigkeit jedoch hatten sie jeder Verlegenheit enthoben, so ließen sie sich nieder, um darüber zu reden, wer das Feld zu räumen hatte.
    Ich bezweifle, ob Emerald irgendwelche Skrupel gehabt hätte, mich loszuwerden, falls ich vor ihr dagewesen wäre. Jacques gegenüber wurde sie allerdings nicht müde zu versichern, dass London voller Freunde sei, die nur darauf warteten, ihr ihre Gastfreundschaft anzutragen. Ich glaubte ihr. Wer, der noch recht bei Trost war, würde sie wieder wegschicken?
    Ein weiterer Faktor, der für Jacques’ Besitzansprüche sprach, erschien nun in Form seines persönliches Geistes, Frère Dierick, der auf dem Stuhl im Wohnzimmer sein nächtliches Lager aufschlagen wollte. Er war draußen beim Sightseeing gewesen und schien davon so wenig beeindruckt gewesen zu sein wie bei meinem Anblick. Doch sofort zückte er sein Notizbuch, um noch die einsilbigste Äußerung seines großen Gurus aufzuzeichnen.
    Jacques war nach London gekommen, um die englische Ausgabe seines neuen Buches zu promoten, das die Philosophie des Third Thought erörtert. Er schenkte mir ein Exemplar samt einer mir schmeichelnden Widmung, die ich Emerald zeigte, damit sie, wie ich hoffte, ihre schlechte Meinung über mich ändere. Aber sie schien nicht beeindruckt. Ich kann ihr keinen Vorwurf machen. Autoren verteilen ihre Bücher wie Drogenbarone kostenlose Sniffs und hoffen dadurch den Grundstein für eine teure Sucht zu legen.
    Das war also abgehandelt. Jacques würde
in situ
verbleiben, während Emerald zu Freunden ging.
    »Aber was ist mit Ihnen, Franny?«, sagte Jacques. »Vielleicht können wir Sie hier auch noch mit reinquetschen?«
    Der Gedanke, eine Nacht in unmittelbarer Nähe zu Dierick zu verbringen, hatte wenig Anziehendes, weshalb ich meinte, falls ich mich beeilte, könnte ich noch Plan B in die Tat umsetzen und von King’s Cross den letzten Zug nach Mid-Yorkshire erwischen.
    »Ich fahr nach Islington«, sagte Emerald. »Ich kann Sie mitnehmen.«
    Sie erwärmt sich für mich!, dachte ich. Oder will nur sichergehen, dass ich meinen Zug erreiche!
    Ich nahm das Angebot an, Jacques sagte, er wolle mitkommen, Dierick wurde von Emerald eindringlich erläutert, dass für ihn in ihrem kleinen Wagen kein Platz mehr sei, und wir drei machten uns auf den Weg. Auf der Treppe entschuldigte ich mich, sagte, ich hätte noch die Toilette aufsuchen wollen, und jetzt sei es dringlich.
    Das winzige Klo lag neben dem Schlafzimmer. Ich wollte es wirklich benutzen, glauben Sie mir, doch als ich am Bett vorbeikam, fiel mir unweigerlich auf, dass die Laken zerwühlt waren. Okay, Jacques hatte sich ein wenig hingelegt. Ich verrichtete mein Geschäft und trat hinaus. Vielleicht steckt auch in mir etwas von einem Detective, Mr. Pascoe, weshalb ich Ihnen gegenüber auch so eine große Affinität verspüre, denn plötzlich fand ich mich auf allen vieren wieder, um unter dem Bett nachzusehen. Und dort fand ich – ich weiß, es klingt erbärmlich – ein benutztes Kondom! Ich verspürte

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