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Die Laute (German Edition)

Die Laute (German Edition)

Titel: Die Laute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roes
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Ausbildung an den besten Schulen der Stadt. Er musste sich vermutlich nie ein Musikinstrument wünschen. Es stand bereits da, der Blüthner im Salon. Er musste nur der Mutter auf den Schoß krabbeln und loslegen, zur Freude aller, frühkindliche Cluster,
Jatekok
, Spiele. Schon Chopin hat bei seinen gelegentlichen Besuchen in der Villa Singer auf diesen Elfenbeintasten gespielt. Nicht vor Publikum, sondern nur zum Vergnügen, im engsten Freundeskreis, nach dem Tee, vierhändig mit Rafałs Urgroßmutter, damals noch ein bildschönes junges Mädchen mit haselnussbraunen Locken, die von einem auf dem Küchenherd erhitzten Eisenstab ins Haar gebrannt wurden und, wenn die Gouvernante unachtsam war, nicht selten auch die weiße Kopfhaut versengte.
    Ich habe das Gefühl, ich werde den Lavendel- und Haarspraygeruch gar nicht mehr los. Nun stehe ich schon fast eine halbe Stunde unter der Dusche. Ich hätte ihn bitten sollen, noch einmal zu gehen und später wiederzukommen. Stattdessen sitzt er nun in meiner Küche und wartet. Bedauerlicherweise habe ich sie heute auch noch aufgeräumt.
    Und was ziehe ich nun an? Meine Kleidung hat mich nie besonders interessiert. Und schon lange habe ich mir keine neuen Sachen mehr gekauft. Alles, was in meinem Kleiderschrank hängt, könnte allenfalls in Aden noch als ›schick‹ durchgehen, wo man dem Welttrend im Allgemeinen um ein Jahrzehnt hinterherhinkt.
    Meine Nachbarn in Nowa Huta interessiert der Schnitt meiner Jeans oder die Farbe meines T-Shirts ebenso wenig. Aber auf dem Rynek ist das anders. Ich bin sicher, Rafał wird mit keinem auch noch so versteckten Gesichtsmuskel irgendeine Art der Irritation über mein Aussehen andeuten, ja wahrscheinlich wird er sogar noch irgendetwas Gutes daran finden und mir ein Kompliment machen, hübsches T-Shirt, das du da trägst, Asis. Findest du? Es ist doch pink! Nein, es ist lachsfarben, und du siehst großartig darin aus!
    Obwohl ich gerade erst geduscht habe, bin ich schon wieder verschwitzt. Sehe einfach beschissen aus. Pickel wie ein Pubertierender, wegen des ungesunden Essens in den vergangenen Wochen vermutlich. Müsste auch mal wieder zum Frisör, auch wenn es der Locken wegen nicht sehr auffällt. In Aden oder Ibb dürfte ich so nicht herumlaufen. Siehst ja wie ein Mädchen aus!, würden die anderen Männer hinter mir herbrüllen. Und dann noch der fehlende Schnurrbart!
    Ich wechsle noch einmal das lachsfarbene T-Shirt gegen ein weißes Hemd. Rafał hat uns inzwischen einen Tee aufgebrüht. Der heiße Tee führt zu einem erneuten Schweißausbruch, weil ich ihn zu schnell trinke. Wo bin ich mit meinen Gedanken? Selbst die Musik lässt mich im Stich. Hat sich zurückgezogen in ihre Eiszeithöhle oder auf ihren Windturm, ist nur noch ein fernes Murmeln und Säuseln, ohne erkennbare Melodie.
    Marsyas hat keine Freunde. So wenig wie Apollon. Sie lieben die Musik, weil sie einsam sind. Und nur deshalb liebt die Musik sie. Die beiden Männer können in einen Wettstreit miteinander treten, aber niemals Freunde sein. Sie können einander verletzen, hassen, häuten, aber niemals lieben.
    Ich ziehe die Wohnungstür hinter mir zu. Im Hausflur ragt nun ein scharfkantiges Blechdreieck aus der rostigen Fläche der Mieterbriefkästen. W OLSKI , B OGDAN hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach der Entnahme seiner Post die aufgebogene Klappe zurückzubiegen. Lange würde das dünne, müde Blech dieses Hin und Her auch gar nicht ertragen.
    Ich hoffe, ihm eine Weile nicht über den Weg zu laufen. Befürchte, er könnte mein schlechtes Gewissen spüren und dann eins und eins zusammenzählen. In seiner vorteilhaften Lage wäre es ja kein Problem, die Tyrannei unserer Nachbarschaft auf eine neue Stufe der Unerträglichkeit zu eskalieren.
    Rafałs Cabrio steht direkt vor dem Wohnblock. Es ist wohl nur diesem einen besonderen Feiertag geschuldet, dass die Vandalen des Viertels seinen Leichtsinn ungestraft gelassen haben.
    Das Verdeck des Sportwagens ist geschlossen und, soviel ich sehe, unbeschädigt. Dabei hätte ein stumpfes Küchenmesser oder eine Glasscherbe gereicht. Natürlich ist es gegenwärtig zu kalt, um mit offenem Verdeck zu fahren. Überhaupt gibt es in Krakau allenfalls dreißig Tage im Jahr, an denen so etwas wie ein Cabrio-Wetter herrscht, und in Nowa Huta noch weniger. Aber der Wagen passt zweifellos zu Rafał. Selbst der argwöhnischste Mensch würde ohne Zögern zu ihm ins Auto steigen.
    Er setzt eine Brille auf. Ich habe ihn bisher

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