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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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kommen?«
    Hippolyt schob seinem Schüler einen Korb mit getrockneten Wurzeln zu. »Armer Gerwin, du musst noch viel lernen über die Menschen. Wer heute dein Freund ist, der kann dich schon morgen an den Galgen bringen.«
    »Das ist nicht recht! Ich würde dich nie verraten!«
    »Lass gut sein, Gerwin. Ich will dich nur zur Vorsicht gemahnen, dein Gottvertrauen in allen Ehren. Schau die Wurzeln, erinnerst du dich noch, wie sie heißen?«
    Der junge Mann roch daran und rieb sie zwischen den Fingern, wobei ihm dichtes, dunkles Haar ins Gesicht fiel, ein Erbe seiner Mutter. Die Schönheit der Gudrun Waldeck war legendär gewesen,
und kaum jemand hatte verstanden, dass sie Friedger Pindus geehelicht hatte, einen Säufer und Taugenichts.
    »Alant«, sagte Gerwin.
    »Gut. Was machen wir nun mit der Alantwurzel und dem Thymus, den du gerade zupfst?«
    Gerwin musste nicht lange nachdenken. Seit vier Jahren verbrachte er jede freie Minute bei Hippolyt und sog auf wie ein Schwamm, was der weitgereiste Wundarzt ihm über das Heilen und die Herstellung von Arzneien vermittelte. Als Friedger entdeckt hatte, was sein Sohn heimlich trieb, hatte er ihn jedes Mal, wenn er ihn mit Hippolyt erwischte, geprügelt und ihm einmal sogar eine Rippe gebrochen. Nachdem Gerwin stärker geworden war als sein brutaler und meist betrunkener Vater, hatte dieser das Prügeln eingestellt und sich auf Drohungen und Pöbeleien beschränkt, wann immer er Gelegenheit dazu fand. Allein seiner jüngeren Geschwister und der Mutter wegen kehrte Gerwin noch nach Hause zurück, doch irgendwann würden sie ohne ihn auskommen müssen. Der Tag würde kommen, an dem Friedger das Fass zum Überlaufen brachte, und an diesem Tag, das fürchtete Gerwin, würde Gott keine Freude an ihm haben.
    »Der Alant ist von der warmen und trockenen Art und wird in Wein gelegt, wo er zieht, bis …«
    »Wenn wir aber keinen Wein haben?«, unterbrach Hippolyt ihn.
    »Dann geht auch Honigwurz.« Er sah, wie Hippolyt nickte, und fuhr fort: »Der Auszug vom Alant ist wirksam gegen Lungenleiden, weil er die Materie abtreibt, und wird vor oder nach dem Essen eingenommen. Auch ist der Alant schweißtreibend und kann auf leichte Wunden gegeben werden, damit erst keine Materie austritt.« Die Scheite knisterten im Feuer, und Gerwin nahm die vielfältigen Düfte in der winzigen Stube des Heilers in sich auf. »Der Thymus nun ist als Öl bei Krätze und Läusen gut und wirkt gegen Würmer und Muskelzuckungen. Zu gleichen
Teilen vermengt mit Alanttinktur hilft ein solcher Trank bei schwerem Husten.«
    »Guter Junge! Und diesen Trank wollen wir heute bereiten, um ihn der armen Frau vom Säckler zu geben, die seit drei Monaten hustet und spuckt. Ich kann sie hören, wenn ich unten am Fluss bin. Der Husten scheint sie zu zerreißen.« Hippolyt schüttelte den Kopf. »Wäre sie doch bloß schon zu Beginn des Winters zu mir gekommen, dann hätte Arges abgewendet werden können.«
    »Es gibt immer noch viele, die lieber zum Bader in Großhartmannsdorf gehen, obwohl dem vorige Woche schon wieder einer nach einer Extraktion gestorben ist.« Mehr als einmal war Gerwin Zeuge geworden, wie Bader Egbert mit schmutzigen Händen in den Mündern seiner Opfer herumfuhrwerkte und Zähne herausbrach, Furunkel mit einem rostigen Messer aufschnitt, Klistiere setzte und zur Ader ließ und die Leute mit Ratschlägen nach Hause schickte, die nicht selten tödliche Folgen hatten. Aber Egbert hatte eine kurfürstliche Urkunde in seinem Laden mit der zugehörigen Badestube hängen, die ihn als Vertreter seines Standes auswies. Außerdem gab es die Bademägde, die den Frauen rote Schminke aus Brasilholz oder weiße aus gepulvertem Panis porcinus aufschwatzten, und gegen diese exotischen Angebote schienen Hippolyts Heilkünste fade.
    »Stultorum infinitus est numerus . 1 « Hippolyt zuckte nur mit den Schultern und goss ihnen einen Becher Gewürzwein ein.
    Gerwin lachte und trank seinem Meister zu, der für ihn weit mehr als ein Lehrer geworden war. Der kluge Mann steckte voller Geschichten, und Gerwins Wissbegier war unersättlich. Vor allem wollte er verstehen, wie der menschliche Körper im Gleichgewicht zu halten war. Universitäten würden ihm auf ewig verschlossen bleiben, denn er hätte ein Studium niemals bezahlen können. Außerdem drängte es ihn nicht nach akademischen Ehren und
Würden. Auf den Rang eines Doktors konnte er verzichten, wenn er nur lernen durfte, wie er den Menschen helfen konnte.
    Gerwin

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