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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Pferd zum Stehen und ließ sich hinuntergleiten. »Wird jemand gezüchtigt?«, fragte er Rainald.
    »Der Stallknecht. Wenn er Glück hat, verbleibt noch ein Fetzen Haut auf seinem Rücken, dann dauert das Sterben länger«, meinte der Mann des Ritters lapidar.
    Gerwin ahnte, dass ein Stallknecht dem Sohn seines Herrn wohl kaum eine Bitte abschlagen konnte, ohne Gefahr zu laufen, dafür bestraft zu werden. »Ist das nicht zu hart?«
    »So ist das Gesetz. Der Herr entscheidet über unsere Leben. Und Ihr solltet nicht säumen, sondern Euch sogleich beim Hausvorsteher Wiklef vorstellen. Dort drüben ist der Eingang.« Rainald zeigte auf eine Holztreppe. Sie führte auf einen Balkon, der den gesamten ersten Stock umlief.
    Mit gemischten Gefühlen folgte Gerwin seinem Meister. Sollten sie dem Schwerverletzten nicht helfen können, würde die Situation rasch unangenehm werden. Hippolyt schien ähnliche Gedanken zu hegen, denn er griff nach Gerwins Arm. »Kein Wort! Überlass mir das Reden und tu nur, was ich von dir verlange.«

    »Ist gut.«
    Hippolyt nickte, straffte den Rücken und stieß den Gehstock mit Wucht auf die Stufen. Kaum hatten sie die Hälfte der Treppe erklommen, als ein kleiner Mann mit langen grauen Haaren und den hektischen Bewegungen eines Wiesels auf sie zugelaufen kam. Sein Gesicht war spitz, die Nase ragte nach oben, und da ein Auge unbeweglich war, wusste man nicht, ob der Hausvorsteher einen ansah oder nicht. »Endlich! Warum habt Ihr so lange gebraucht? Der Herr ist schon in Rage. Kommt, folgt mir!«
    Gerwin verdrehte die Augen. »In Rage, o je, o je …«
    »Gerwin!«, zischte Hippolyt. Seite an Seite gingen sie schnellen Schrittes an verschiedenen Türen vorüber, hinter denen Gerwin Geflüster und Getuschel vernahm.
    Eine junge Dienerin hielt mit gesenktem Blick an, um sie vorbeizulassen. Der Herr des Gutes schien ein strenges Regiment zu führen, denn die Dienstboten glichen seelenlosen, ängstlichen Schatten. Wenn Ritter von Alnbeck mehr durch Furcht als durch verdienten Respekt seine Leute im Griff hielt, würde das den Behandlungsverlauf möglicherweise schwierig gestalten.
    Ruckartig blieb Wiklef vor einer Tür an der Stirnseite des hufeisenförmigen Gutes stehen, klopfte kurz, stieß die Tür auf und hieß sie mit einer tiefen Verbeugung eintreten. Der Gestank von Fäulnis und Ausfluss schlug ihnen entgegen und ließ Schlimmes befürchten. Nachdem ihre Augen sich an das schummrige Licht gewöhnt hatten, machten sie ein Baldachinbett in der Mitte des Schlafgemachs aus. Schwere Brokatvorhänge verdeckten das Fenster, vor dem an einem Tisch zwei Frauen mit sorgenvollen Mienen saßen. Mehrere Teppiche dämpften die Schritte und zeugten vom Reichtum der Alnbecks.
    Als sie sich dem Bett näherten, trat aus seinem Schatten ein hochgewachsener Mann. »Wiklef!«, herrschte er den Hausvorsteher an.
    »Ja, mein Herr?«, winselte der Mann.

    »Nimm die Frauen mit hinaus. Das hier ist nichts für zimperliche Weiber.«
    Die ältere der beiden Damen erhob sich, wobei die seidenen Röcke raschelten und ihr Geschmeide glitzerte. Doch ihr Gesicht war sorgenvoll, grau und verhärmt. Nur noch Spuren ihrer einstigen Schönheit waren zu erahnen. Mit gesenktem Kopf flüsterte sie: »Christoph, ich bitte Euch! Ich flehe Euch an, mich bei meinem Sohn zu lassen. Er braucht mich!«
    Christoph von Alnbeck musterte seine Gattin kühl. Aus seinen herrischen Zügen sprach die Gewohnheit zu bestimmen. Von Kopf bis Fuß war er der selbstherrliche Gutsbesitzer, der auf seinem Land über Leben und Tod entschied: Sein ausgeprägtes Kinn wurde von einem Spitzbart geziert, über der Oberlippe prangte ein gestutzter Schnurrbart. Dunkle Locken waren hinter die Ohren gestrichen und gaben eine hohe Stirn frei. Wams und Kniehosen saßen tadellos am kräftigen Körper des Ritters, der das vierte Lebensjahrzehnt beendet haben mochte. Als er jedoch anhub zu sprechen, ruhten seine Augen milde auf seiner Frau: »Elisabeth, es ist zu Eurem Wohle und zum Wohle unseres Sohnes. Nehmt Adelia mit und esst etwas, während ich mich mit dem Medicus bespreche.«
    Elisabeth von Alnbeck ging zum Krankenlager und beugte sich über den schmalen Jungen, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Dann verließ sie mit ihrer Zofe den Raum.
    Alnbeck wartete, bis die Tür sich hinter den Damen geschlossen hatte. »Es ist nur einem Zufall zu verdanken, dass ich von der Existenz eines so berühmten Medicus erfuhr. Der Freiherr zu Castelnau beehrte mich

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