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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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kürzlich mit seiner Anwesenheit und erwähnte Euch, doch später mehr davon. Bitte, tretet näher. Mein Sohn Leander ist schwer vom Pferd gestürzt.«
    Er schlug das Laken zurück, unter dem der blasse Junge mit geschlossenen Augen lag. Sein Atem ging stoßweise, und die Stirn, auf der eine enteneigroße Beule prangte, glänzte vom Fieber. Die
Gesichtshaut war so dünn, dass das bläuliche Netz der Adern sich darunter abzeichnete. Gerwin hatte seinem Meister den Umhang abgenommen und auch seinen eigenen auf einen Stuhl gelegt. Nun trat er neben Hippolyt an das Krankenlager, dessen Gestank ihm schier den Atem nahm.
    Hippolyt hob ein Tuch, welches den unnatürlich gekrümmten Arm des Jungen bedeckte. »Heilige Mutter Gottes!«, entfuhr es ihm, was ihm einen strafenden Blick des Ritters einbrachte. Das Anrufen von Heiligen oder der Heiligen Jungfrau war papistisch und höchst verpönt.
    Doch das Bild, das sich ihnen bot, war erschütternd: Leander musste so unglücklich gestürzt sein, dass mehrere Knochen des Unterarmes gebrochen waren und jetzt die Haut wie ein Nadelkissen durchstachen. Die weißen Knochensplitter ragten aus bereits schwärendem, dunkelrot verfärbtem Fleisch hervor. Gelbliche Materie und schwärzlicher Ausfluss sickerten aus den vielen Wunden und verursachten den Gestank. Das Bein lag geschient und verbunden.
    »Wer hat sich den Arm angesehen? War denn kein Arzt in der Nähe?«, fragte Hippolyt und krempelte sich die Hemdsärmel hoch.
    Der Junge wimmerte im Schlaf und warf den Kopf hin und her.
    »Der Medicus aus Sayda war hier und hat das Bein gerichtet. Auf den Arm hat er eine Tinktur gegeben und gesagt, dass die bösen Säfte zuerst abfließen müssten, bevor er ans Richten gehen könne. Er wollte morgen wiederkommen, aber heute sieht es doch arg aus, und der Medicus war nicht zu erreichen. Nun, da dachte ich an Euch. Also, was ist zu tun?«, fragte Christoph.
    »Amputation«, entschied Hippolyt ohne einen Moment des Zögerns.
    »Nein!«, rief der Vater. »Leander ist mein einziger Sohn, mein einziges Kind, mein Erbe. Er soll seinen Arm behalten. Ohne Arm ist er ein Krüppel. Niemand wird ihn respektieren!«

    »Gut, dann behält er seinen Arm und geht damit ins Grab. Ich gebe ihm noch zwei Tage. Gerwin, wir haben hier nichts weiter verloren.« Hippolyt, der sich über den Jungen gebeugt hatte, erhob sich, ließ sich seinen Gehstock geben und wollte sich abwenden, wurde jedoch von Alnbeck zurückgestoßen.
    »Ihr geht, wenn ich es will, und Ihr tut, was ich sage. Dafür werdet Ihr entlohnt. Und ich befehle Euch, meinem Jungen den Arm zu retten. Schneidet ihn auf, holt die Knochensplitter heraus und flickt ihn zusammen, aber rettet seinen Arm!« Alnbecks Augen flackerten, und an seiner Schläfe pochte eine Ader.
    Mit einem Streich seines Degens könnte er sie beide töten, und niemand würde sich darum scheren. Es dämmerte Gerwin, dass der andere Medicus die Gefahr erkannt und sich beizeiten aus dem Staub gemacht hatte. Hippolyt jedoch war aus ebenso hartem Holz geschnitzt wie der Edelmann und ließ sich nicht einschüchtern.
    »Lasst mich eines klarstellen, werter Ritter: Ich bin gekommen, weil ein Kranker meine Hilfe brauchte, nicht, weil ich einem Befehl folgte, und auch nicht, weil mich die großzügige Bezahlung lockte. Würde ich für Geld kurieren, wäre ich in Damaskus geblieben, wo mir ein wahrhaftes Paradies geboten wurde.« Hippolyt stieß den erschrockenen Ritter mit seinem Stock beiseite und zeigte auf den entzündeten Arm. »Seid Ihr blind für die Wahrheit? Riecht Ihr den Gestank von Fäulnis nicht? Der Arm hätte sofort abgenommen werden müssen, bevor die Gifte den Körper verseuchen.«
    »Der Medicus aus Sayda hat einen Trank dagelassen und gesagt, dass der die Gifte ausschwemmen wird«, beharrte Alnbeck.
    Hippolyt entdeckte eine Flasche auf einem Hocker neben dem Bett, zog den Korken heraus und schnupperte daran. »Ein Kräuterlikörchen! Weiter nichts! Das könnt Ihr selbst trinken, hier!« Er streckte dem Ritter die Flasche entgegen, der sie nahm und gegen die Wand feuerte.

    Gerwin sah, wie der Mann vor ohnmächtiger Wut zitterte, und bewunderte die Kaltblütigkeit seines Meisters.
    »Ihr besteht also auf Eurer Diagnose, dass der Arm abgenommen werden muss?«, zischte Alnbeck.
    Hippolyt nickte.
    »Dann tut es, aber Gnade Euch Gott, wenn mein Sohn trotzdem stirbt!«
    Plötzlich schlug der Junge die Augen auf und sah suchend um sich. Er hob den Kopf, entdeckte den verletzten

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