Die Lautenspielerin - Roman
entzündete eine weitere Lampe, damit sie besseres Licht zum Arbeiten hatten, als es laut an der Tür klopfte. Das schlichte Haus des Wundarztes stand etwas abseits am Dorfausgang, und Hippolyt war stolz auf seinen großen Kräutergarten und den Hang mit den Weinstöcken. Ganz in ihr Gespräch versunken, hatten die beiden Männer den Reiter nicht kommen hören, der vor ihrem Haus von seinem Pferd gestiegen war und nun mit Vehemenz gegen die Haustür schlug. »Heda! Aufmachen!«
»Wer kann das sein?« Gerwin ging zur Tür und kam in Begleitung eines herrschaftlichen Boten zurück. Der Mann trug lange Lederstiefel, ein ebensolches Wams, in dessen Gürtel ein Dolch und ein Kurzschwert steckten, und einen langen Umhang, den er schwungvoll zurückwarf.
»Wer von euch beiden ist der Wundarzt?«, fragte er barsch.
Zweifelnd sah Gerwin zu Hippolyt, doch der blieb gelassen und verschränkte die Arme vor seinem Bauch. »Wer will das wissen?«
»Mein Herr, Ritter Christoph von Alnbeck. Er befiehlt dich sofort auf sein Gut!« Obwohl der Ton des Boten unverschämt war, schwang echte Dringlichkeit darin mit. Er zog einen Umschlag aus einer Gürteltasche und warf ihn vor Hippolyt auf den Tisch. »Lies, wenn du kannst, Alter, und dann sputet euch. Ich nehme euch beide mit!«
»Scher dich zum Teufel, oder besser zu deinem Herrn. Wir lassen uns nichts befehlen«, blaffte Gerwin, doch Hippolyt, der die rasch hingeworfenen Zeilen überflogen hatte, winkte ab.
»Pack unsere Sachen, Gerwin, wir begleiten diesen Mann nach Dörnthal.«
Der Bote des Herrn von Alnbeck hatte geflucht, weil sie nicht über Reittiere verfügten, doch Pferde besaß in Helwigsdorff niemand, nicht einmal der alte Froehner. Gerwin trug die Tasche
mit den Arzneien und Instrumenten und warf immer wieder besorgte Blicke auf seinen Meister, der sich schwer auf seinen Gehstock stützte. Wenn sie in diesem Tempo weitergingen, würden sie Dörnthal nicht vor der Dunkelheit erreichen.
»Eh, warum steigst du nicht mal ab und lässt den alten Mann ein Stück reiten? Dann kommen wir schneller zu deinem Herrn«, rief Gerwin dem Boten des Ritters von Alnbeck schließlich zu, der mit mürrischer Miene neben ihnen herritt.
Widerwillig stieg der Mann vom Pferd. »Kannst du überhaupt reiten?«
Hippolyt reichte Gerwin seinen Stock und stieg mit dessen Hilfe auf das Tier, das gutmütig wartete, bis der behäbige Mann im Sattel saß. Als Hippolyt die Zügel in die Hände nahm, glitt ein Lächeln über sein Gesicht. »Frag das den ehemaligen Leibarzt eines Sarazenenfürsten.«
Gerwin lachte, als er das überraschte Gesicht des Boten sah.
»Respekt! Ich hielt Euch für einen Quacksalber und zweifelte bereits am Verstand meines Herrn«, meinte der Bote. »Rainald mein Name«, fügte er deutlich freundlicher hinzu.
»Was genau ist denn mit dem Sohn deines Herrn geschehen? Dem Brief entnahm ich nur, dass er gestürzt sei«, fragte Hippolyt.
»Ein Sturz vom Pferd, einem wilden Biest, das er niemals hätte reiten dürfen!« Grimmig schüttelte er seine Faust. »Schuld hat ein Stallknecht, der es ihm erlaubt hat. Der Junge ist elf Jahre alt und eher schwächlich. Als der Gaul mit ihm durchging, fing er an zu schreien, aber bevor ich ihn einholen konnte, war er schon abgeworfen worden. Er stürzte unglücklich auf einen Stein und brach sich den Arm an mehreren Stellen. Das rechte Bein ist ebenfalls gebrochen, aber schlimmer sieht der Arm aus.«
»Sein Kopf?«
Rainald holte tief Luft. »Eine Beule, weiter nichts. Sagt, Medicus, habt Ihr Erfahrung mit Knochen, die durch die Haut stechen?«
Jetzt war es an Hippolyt, tief durchzuatmen. Er wechselte einen Blick mit Gerwin. »Bei ausgewachsenen Männern, nicht bei Knaben, aber wir werden sehen.«
Der Weg führte sie den Fluss entlang nach Süden, an der Höllermühle vorüber durch den Wolfsgrund und vorbei an Obersaida, bis sie schließlich die Türme des Ritterguts auf einer Anhöhe erblickten. Drei Bauernhöfe lagen dem von wildreichen Wäldern umgebenen herrschaftlichen Anwesen gegenüber. Unterhalb der festungsartigen Anlage schlängelte sich ein Bach durch die Wiesen. Der Ritter musste ein wohlhabender Mann sein.
Der Innenhof des Gutes bestätigte Gerwins Vermutung: Fette Gänse, Hühner und Enten liefen über den Misthaufen. Zwei große Jagdhunde trotteten umher, aus den Stallungen war das Wiehern von Pferden zu hören. Da störte ein Misston das Idyll. Jemand schrie, als würde er gefoltert.
Hippolyt brachte sein
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