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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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drückte er seine Lippen sacht in ihre Handinnenfläche.

    Er konnte sich getäuscht haben, doch er vermeinte, den Hauch eines Seufzers aus ihrem Mund vernommen zu haben. Dann war ihre Hand fort, und sie drehte sich zum Schlafen auf die andere Seite. Gerwin verharrte regungslos vor der Bettkante und starrte so lange in die Dunkelheit, bis seine Augen brannten. Er bemerkte nicht, wie Hippolyt sich nachdenklich den Kopf kratzte. Erst als der Arzt murmelte: »Quis legem det amantibus? Maior lex amor est sibi 20 « , schreckte Gerwin auf. Er fuhr herum und rutschte auf Knien zu Hippolyts Strohsack. »Hast du etwas gesagt?«
    »Nur geträumt. Soll ich die Wache übernehmen?«
    »Nein, ich kann ohnehin nicht schlafen.«
    »Dachte ich mir …« Mit diesen Worten überließ er Gerwin seiner aufgewühlten Seele.

Dritter Teil

    Paris Augustus 1569

19
    In zwei Hälften schneide
ich die Novembernacht,
davon ich eine kleide
in meines Kissens Seide,
klug auf den Mai bedacht.
Kommt der, den ich ersehne,
roll’ ich sie auf und dehne
die kurze Frühlingsnacht.
    Hwang Chin-I (um 1506-1544)
    Jeanne hatte den Sommer in Frankreich herbeigesehnt, doch Paris war nicht das Languedoc, und es gab keine Küste, von welcher der salzige Geruch des Meeres über die Obstbäume wehte, keine Berge, in denen würzige Kräuter wuchsen und Ziegenhirten köstlichen Käse herstellten. Paris war eine Stadt, groß, laut, bedrohlich, und sie stank buchstäblich zum Himmel. Die Hitze staute sich in engen Gassen, in denen sich die schiefen Häuser einander zuneigten. Es gab Prachtboulevards und Brücken über die Seine, deren trübe, verseuchte Fluten träge dahinflossen. Doch ganz gleich, wo man sich befand, alles versank in einer knöcheltiefen Schicht aus Dreck, Abfällen und Kot. Die Pariser scheuten sich nicht, ihre Nachttöpfe aus den Fenstern direkt auf die Straße zu entleeren, weshalb es ratsam war, sich Richtung Straßenmitte zu orientieren.
    Ihre Laute schmiegte sich vertraut an ihren Rücken, und automatisch
legte sie schützend eine Hand unter den Korpus des zarten Instruments.
    »Ich nehme sie Euch ab. Ihr solltet nichts mehr tragen in Eurem Zustand!«, ermahnte sie die junge Frau in dem sauberen gestärkten Kleid mit dem weißen Häubchen. Guillemette war ihre Kammerfrau, doch Jeanne empfand die ständige Anwesenheit der zwei Jahre jüngeren Dienerin eher als Bewachung denn als Unterstützung.
    »Du lässt deine Finger von meiner Laute! Ich habe es dir schon so oft gesagt!«, fauchte Jeanne, doch Guillemette ließ sich nicht einschüchtern und zog eine Grimasse, wofür Jeanne sie am liebsten geohrfeigt hätte. Das allerdings hätte die dreiste Dienerin sofort Cosmè berichtet und Jeanne eine Rüge eingebracht.
    »Ich meine es ja nur gut mit Euch. Ihr lasst Euch aber auch gar nicht helfen«, murrte Guillemette. »Wozu bin ich denn überhaupt da?«
    Zwei feiste Pariser Bürgersfrauen stolzierten an ihnen vorüber, spuckten aus und sagten vernehmlich: »Hugenottengesindel!«
    Guillemette drehte sich um und rief: »Fettes Papistengeschmeiß!«
    »Halt den Mund, du dummes Ding!«, fuhr Jeanne sie an und riss sie am Arm hinter sich her. »Sollen alle auf uns aufmerksam werden? Reicht es nicht, dass wir durch unsere Kleidung auffallen?« Sie hasste die schwarzen Kleider, die sie nun tragen musste. Ihr Gatte bestand darauf, denn er war einer der Ältesten im consistoire, dem Presbyterium der hugenottischen Gemeinde in Paris.
    Sie verließen die Pont Notre Dame zur rechten Flussseite. Wie die Pont Saint-Michel war auch sie dreispurig und zu beiden Seiten mit Häusern bebaut. Die Ziegelhäuser waren mit Hausnummern versehen, eine bemerkenswerte Neuerung in Paris, wo man Gebäude oder Wohnungen nur anhand abenteuerlicher Beschreibungen fand. Das Haus ihres Gatten befand sich nahe der Rue Saint-Honoré auf Höhe des Louvre in einem der begehrtesten Viertel der Stadt.

    Die Stimmung in Paris war aufgeheizt von den andauernden Scharmützeln zwischen dem königlichen Heer und den Truppen der Hugenotten. Überall wurde gegen die Reformierten gehetzt, und sie bekamen täglich zu spüren, dass Paris eine katholische Stadt war. Hier residierte die königliche Familie, doch der heimliche König von Paris war Henri de Guise, das pfiffen die Spatzen von den Dächern. Jeanne fand es unklug, ihre Konfession zur Schau zu tragen, schlug ihr doch überall der Hass fanatischer Katholiken entgegen.
    »Wir haben keinen Grund, uns für unsere Religion zu

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