Die Lautenspielerin - Roman
schönen Rheinfischerin« umfasste zwei Wohn- und ein Stallgebäude und lag eingebettet in einen Streifen Mischwald. Die Flusskreuzung war eine Hauptverkehrsader, denn die Binnenschifffahrt war neben den Maultiergespannen der wichtigste Transportweg. Bereits die bunte Mischung von Kaufleuten, Soldaten, Pilgern und Reisenden jeglicher Couleur zeigte an, dass sie sich an einem Handelsknotenpunkt im Herzen Europas befanden.
Im Hof hatten sich Viehtreiber, Karrenführer und Knechte auf
Kisten, Säcken und einfachen Holzbänken niedergelassen. Ein babylonisches Sprachgewirr, in dem sich Deutsch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Ungarisch und Sprachen, die Gerwin gänzlich fremd waren, mischten, erfüllte den Platz.
Ein mürrischer junger Mann trat auf sie zu und machte eine ausgreifende Armbewegung. »Ich bin hier der Quartiermeister. Ihr seht selbst, dass es voll ist. Wasser und Futter für die Pferde sind vorhanden. Bewachen müsst Ihr Euren Wagen selbst. Wie viele Schlafplätze benötigt Ihr?«
Gerwin sah, dass Jeanne bereits ausgestiegen war und sich neugierig umschaute. Da der Kaufmann mit seinem Bein nur mühsam aus dem Wagen kam, übernahm Hippolyt die Verhandlungen und bedachte den überarbeiteten Mann, der sich dauernd nervös umsah, mit einem verständnisvollen Lächeln. »Wir erwarten kein fürstliches Gemach, doch wir haben Schwerverletzte dabei, die der Rekonvaleszenz bedürfen. Eine Horde Banditen hat uns arg zugesetzt.«
Die Miene des Quartiermeisters wurde milder. »Leider haben wir nur noch einen separaten Schlafraum, darin eine große Bettstatt ist. Die allerdings bietet Raum für sechs.«
»Eine Dame reist mit uns. Wäre es möglich, saubere Strohsäcke und frisches Wasser zu bekommen?« Es war ein Spiel nach tausendjährigen Regeln. Hippolyt zückte seinen Beutel und klimperte mit den Münzen.
Das schien die Entschlussfreudigkeit des Quartiermeisters zu beschleunigen, und als er einen Silberling in der Hand hielt, verneigte er sich. »Ihr werdet kein Grund zur Klage haben. Darf ich auch einen Tisch für das Abendessen reservieren? Wir haben heute gehackte Leber, Schweinsrippchen und süßsauren Hecht. Das Wildbret ist schon aus, aber Eiertorte mit Dörrobst gibt es noch.«
Hippolyt strich sich über den Leib, der sich kaum noch wölbte. »Das ist ganz nach unserem Geschmack. Dazu einige Krüge kräftigen Wein, und wir preisen Euch bis …«
Der Mann lachte. »Gut denn! Zu den Ställen dort entlang, und in der Wirtsstube fragt Ihr nach Kora.«
Jeanne war hinzugetreten. Sie trug ein schlichtes dunkelbraunes Kleid mit einem weißen Spitzenkragen. Die Salben des Arztes hatten die Schwellungen gemindert, und auch die Lippe begann zu heilen. »Gibt es eine Badestube?«, fragte sie vorsichtig.
Der Quartiermeister musterte sie mitleidig. »Es gibt eine, aber an Eurer Stelle würde ich da nicht hineingehen. Wenn es warm genug ist, baden die meisten unten im Fluss. Ich lasse Euch Wasser ins Zimmer bringen.«
Der dreckige Schlafraum, welcher ihnen von einem verlausten kleinen Jungen gezeigt worden war, stank nach Urin, dass es ihnen schier den Atem verschlug. Am liebsten wäre Gerwin rückwärts wieder hinausgegangen, doch er sah Jeannes unglückliches Gesicht. Die Tür ließ sich nicht von innen verriegeln, und bei dem Andrang war es wahrscheinlich, dass sie nachts ungebetene Besucher bekämen.
»Hippolyt und ich werden uns mit dem Wachen abwechseln. Wenn es Euch lieber ist, schlafen wir im Stall bei den Knechten«, erbot sich Gerwin.
»Nein, auf keinen Fall. Endres und ich sind hilflos und können Jeanne nicht beschützen. Wir sind dankbar über Eure Gegenwart«, versicherte Cosmè rasch. Er wirkte erschöpft und weniger streitbar als am Morgen.
»Vielleicht sollten wir alle unten essen, und bevor wir uns zur Ruhe begeben, versorge ich Eure Wunden«, schlug Hippolyt freundlich vor.
Kaum hatte er den Satz beendet, wandten sich alle der Treppe zu, um dem Gestank des Gästetrakts zu entrinnen. Im Schankraum fragte Gerwin nach Kora und wurde von einer hochgewachsenen Brünetten überrascht, deren muskulöse Arme ein vollbeladenes Tablett trugen und deren wohlgerundete kleine Brüste ihr
die Aufmerksamkeit der männlichen Gäste und ein entsprechendes Trinkgeld sicherten.
»Bitte hier Platz zu nehmen, die Herrschaften.« Sie beugte sich vor und stellte ein Tablett mit Weinkrügen und Bechern auf den Tisch. Zwischen den prallen Halbkugeln ihres offenherzigen Ausschnittes baumelten ein
Weitere Kostenlose Bücher