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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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silbernes Kreuz und ein Marienmedaillon.
    »Du betest zur Heiligen Jungfrau?«, fragte Hippolyt, während er Wein einschenkte.
    Kora zuckte die Achseln. »Was ist daran schlecht? Sie ist meine Schutzpatronin. Außerdem halten’s die meisten hier so oder so. Gehe ich über Vater Rhein, sind sie Lutheraner, spring’ ich über den Main, küssen s’ dem Papst die Füße. Das Essen bringen wir Euch gleich.«
    Gerwin beobachtete Jeanne, die an ihrem Becher nippte. Die Wunde an ihrer Lippe verschorfte bereits. Cosmè lagerte sein Bein auf einen Schemel. Endres verzog das Gesicht, sobald er mit beiden Händen den Becher zum Mund führte. Es würde schwer für die junge Frau werden, sich um beide Männer zu kümmern. Einer der Knechte müsste ihr helfen. Vielleicht Stefan. Er würde mit ihm sprechen, bevor sie sich trennten.
    Das dampfende Essen wurde aufgetragen, und die Küche der »Rheinfischerin« machte die verdreckten Quartiere fast vergessen. Erhitzt von dem Essen, der Wärme im Schankraum, den über fünfzig Gästen und dem kräftigen Moselwein, saßen sie mit geröteten Wangen ermattet auf ihren Plätzen und lauschten dem Geschwätz und Gelächter. Endres lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand, und Jeanne strich über den runden Korpus ihrer Laute, die neben ihr stand. Am Tisch neben ihnen saßen Engländer und Italiener, Kaufleute und Diplomaten, wie sich später herausstellte. Eine der beiden englischen Ladys nickte Jeanne freundlich zu und zeigte auf die Laute.
    »Can you play? I’d love to hear you play the lute. It’s a lute, is it not?«

    Man musste der Sprache nicht mächtig sein, um zu verstehen, worauf die Dame hinaus wollte. Jeanne antwortete lächelnd: »Oui, avec plaisir.«
    Die Lady strahlte, als Jeanne das schöne Instrument aus seiner Hülle nahm und stimmte. Gerwin rückte den Tisch etwas ab, damit sie mehr Platz hatte.
    »Ich möchte mich zur Ruhe begeben, mein Bein schmerzt«, murrte Cosmè, doch Endres legte ihm die verbundene Hand auf den Arm.
    »Lasst sie spielen. Es wäre grausam, es ihr zu verbieten.«
    Cosmè öffnete den Mund zu einer Erwiderung, besann sich aber eines Besseren und fügte sich mit vor der Brust verschränkten Armen.
    Als die ersten Takte erklangen, verstummten die Gespräche an den Nebentischen, und nur ein gelegentlich geflüstertes »bellissimo« war noch zu vernehmen. Gerwin stützte das Kinn auf die gefalteten Hände und versank im Anblick der schönen Lautenspielerin. Doch nicht allein Jeannes Schönheit, die durch die Blessuren nicht gemindert, sondern erhöht wurde, weil sie dadurch noch fragiler wirkte, bannte Gerwin und die Zuhörer. Es war die absolute Hingabe der Musikerin an ihre Musik. Jeder Ton, den sie der edlen Laute entlockte, sprach eine eigene Sprache, eine Sprache, die keiner Worte bedurfte und für jeden verständlich war. Sie begann mit einer Phantasie von Palestrina, variierte Motive, ließ melancholische Momente einfließen, die von fröhlichen Läufen aufgebrochen wurden, um sich in kunstvollen Kapriolen auszulassen und zu einem volltönenden Schlussakkord zu kommen.
    Die Zuhörer klatschten begeistert Beifall, und die Italiener riefen: »Brava!«
    »Splendid, overwhelming! You are an artist! You must play for our queen!« , sprudelte es aus der englischen Lady hervor, doch Jeanne hörte nicht hin, sondern dämpfte die Saiten, die noch nachklangen, und setzte zu einem neuen Stück an.

    Während sie die ersten leisen Töne zupfte, hob sie kurz die Lider und begegnete Gerwins Blick. Ein unbeteiligter Beobachter hätte nichts Arges darin sehen können, doch Gerwin fühlte sich von ihren dunklen, traurigen Augen umfangen. Als sie jetzt spielte, wusste er, dass es nur für ihn war. Sie gewährte ihm einen Blick in ihre gequälte Seele, und er erschauerte. Diesmal wand sich die Melodie aus dunklen, basslastigen Tiefen hinauf in beschwingte Höhen, für kurze Momente, wenige Takte nur, dann gewann das schwermütige Thema die Oberhand, um sich seinerseits von der kühlen Perfektion perlender Tonreihen ablösen zu lassen. Unter allem lag eine leidenschaftliche Spannung, welche Gerwins Herz weinen ließ.
    Wie versteinert saß er nach dem Ende ihres Vortrags auf seinem Schemel und reagierte erst, als Hippolyt ihm unter dem Tisch gegen den Fuß trat. Automatisch klatschte er in die Hände und konnte seine Augen nicht von Jeanne wenden.
    »Lord almighty! Please, my dear, you simply must promise me to play for our queen! She is a connoisseur of music and

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