Die Lautenspielerin - Roman
lagen zwei Männer mit blutigen Schnittwunden, die nicht lebensbedrohlich schienen. Schlimmer stand es um den dritten Mann, der gurgelnde Laute von sich gab und dessen Glieder unkontrolliert zuckten. Durac, ein erfahrener Arzt, stand mit seinem Gehilfen vor dem Tisch.
»Meister Hippolyt! Gut, dass Ihr kommt! Seht Euch den hier
an. Er hat nur Schwerthiebe abbekommen. Das lässt sich flicken, aber diese Konvulsionen!«
»Und welcher hat die Kugel abbekommen?«
»Welche Kugel?«, fragte Durac.
»Es hat sich angehört, als hätte jemand geschossen.« Gerwin krempelte sich die Hemdsärmel hoch und trat mit Hippolyt an den Tisch.
»Wir sehen uns später«, hörten sie Hinrik sagen, bevor er den Saal verließ.
Der Verwundete warf den Kopf hin und her. Das Gesicht war durch Platzwunden und Schwellungen entstellt, Haarsträhnen klebten über Stirn und Augen des Mannes. Noch während Gerwin half, die schmutzigen Kleidungsstücke zu entfernen, konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, dass er diesen Mann schon einmal gesehen hatte.
Durac zeigte auf einen tiefen Hieb in der Leistengegend des Mannes, dessen bunte Pluderhosen ihn als Landsknecht auswiesen. »Ich wollte beginnen, den Schnitt zu nähen, doch die Konvulsionen gaben mir zu denken.«
Die Pluderhosen wurden zur Gänze aufgetrennt, doch die Beine waren kaum verletzt. »Dreht ihn um!«, befahl Hippolyt.
Zwei Helfer und Gerwin brachten den Mann mit Mühe in eine halb seitliche Lage. »Ah, da ist die Kugel!«, rief Gerwin und deutete auf ein Loch neben der Wirbelsäule.
Durac zuckte mit den Schultern. »So weit waren wir noch nicht. Ihr seht selbst, was hier alles anliegt.«
Hippolyt achtete nicht auf seinen Kollegen, sondern beugte sich über die saubere Einschussstelle, aus der kaum Blut austrat. Dann zog er eine zusammengebundene Lederrolle aus seiner Tasche, schnürte sie auf und breitete sie auf dem Fenstersims aus. Sauber nebeneinander aufgereiht steckten in eingearbeiteten Taschen seine chirurgischen Instrumente. Rasch wählte Hippolyt eine schmale Zange aus.
Der Landsknecht zuckte wild und gab unartikulierte Laute von sich. Gerwin und die beiden jungen Helfer mussten ihre ganze Kraft aufbringen, um den Verletzten in der Seitenlage zu halten. »Brauchst du das Wundwasser?«
»Gleich. Zuerst muss die Kugel heraus. Festhalten!« Mit zusammengebissenen Zähnen fuhr er mit der Zange in das Schussloch und bohrte so lange darin herum, bis er eine daumengroße Pistolenkugel herausgezogen hatte. Sobald die Kugel heraus war, entspannten sich die Glieder des Landsknechts, und er sank mit einem tiefen Seufzer in sich zusammen.
Anerkennend hob Durac die Brauen. »Die Kugel hat also die Konvulsionen verursacht. Fürwahr, Ihr versteht Euer Handwerk, Meister Hippolyt. Das werde ich mir merken. Darüber solltet Ihr eine Abhandlung schreiben.«
»Monsieur Durac, bitte kommt. Da ist eine Frau mit ihrem Kind, das am Fieber gestorben ist, aber sie will es nicht loslassen und …«, rief ein verzweifelt aussehender Jüngling in schwarzer Kutte. Er gehörte zu den Mönchen aus umliegenden Klöstern, die ihre Hilfe angeboten hatten.
Durac nickte. »Denkt an meine Worte, Meister. Ein Stuhl an der Universität wäre Euch sicher!« Damit eilte der Arzt zu seinem nächsten Patienten.
»Das fehlte mir gerade!«, murmelte Hippolyt und machte sich mit Gerwins Hilfe ans Säubern der Wunden.
Als sie den nun vollkommen ruhigen Landsknecht auf den Rücken drehten und Gerwin die Schwellungen mit einem Schwamm kühlte, durchzuckte ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Angewidert zog er die Hand zurück und starrte auf den Bewusstlosen.
»Was ist? Hier, du kannst den langen Schnitt nähen.« Hippolyt reichte ihm Nadel und Faden.
»Das ist Franz«, kam es fast lautlos über Gerwins Lippen.
»Ach ja? In diesem Moment liegt da nur ein Verwundeter. Also los, zeig mir, wie du nähst!«, sagte Hippolyt ungerührt.
»Der Kerl hat Jeanne vergewaltigt, uns angegriffen und wer weiß wie viele Menschen auf dem Gewissen!«, stieß Gerwin voller Zorn hervor.
»Versorg jetzt diesen Mann, oder unsere Wege trennen sich hier.«
Mit Tränen der Wut nahm Gerwin die Nadel und stach in das Fleisch des Mannes, dem er am liebsten einen Dolch ins Herz gerammt hätte. Mit jedem weiteren Stich und jedem Knoten, den er band, dachte er an Jeanne und daran, wie leicht es wäre, ihren Peiniger hier sterben zu lassen.
»Franz ist ein durch und durch verderbter Mensch und hat sein Recht auf Leben schon lange
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