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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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zuließ, wurde vom Kirchenvater Augustinus gelobt und als nachahmenswert für Christen empfohlen.«
    »Ich glaube, nein, ich denke, ich habe verstanden, was du meinst, Hippolyt.«
    Sie kamen unterhalb des Leuchtturms an, aus dessen achteckiger Laterne sich ein Lichtstrahl auf das Meer hinaus ergoss, ohne den Nebel weit durchdringen zu können.
    »Irgendwo dort im Norden hinter dem Kanal liegt England.« Hippolyt streckte den Arm aus, und sie blickten über die Masten der Segler hinweg.
    »Wir könnten Hilfe von dort gebrauchen. Warum ergreift Königin Elisabeth nicht Partei?«, fragte Gerwin.
    »Das ist die komplizierte Kunst der Diplomatie und der Staatsräson. Unser Bruder Walter von Mühlich ist in dieser Mission unterwegs, und er ist nicht der Einzige. Auch unter den Engländern gibt es Befürworter einer aktiven Parteinahme Englands. Die reizende
Lady Dousabella ist in dieser Hinsicht tätig und begibt sich damit auf dünnes Eis.«
    »Du bist ihr sehr zugeneigt, nicht wahr?«, fragte Gerwin vorsichtig. Es war ihm nicht entgangen, dass Hippolyt bei jeder Gelegenheit die Gesellschaft der Lady gesucht hatte.
    »Ha! Und welcher Mann mit sehenden Augen und einem Körper, der dem Verfall noch nicht preisgegeben ist, wäre das nicht? Aber was sie so außergewöhnlich macht, ist ihr scharfer Verstand, eine bemerkenswerte Frau, in der Tat!« Hippolyt sah mit auf dem Rücken gefalteten Händen gedankenverloren in die Ferne.
    Ein Schuss zerriss den friedlichen Morgen, es folgten ein lauter Wortwechsel und hysterische Schreie. Hippolyt und Gerwin sahen sich fragend an und wandten sich einvernehmlich dem Ursprung des Tumults zu. Sie näherten sich bereits dem Stadttor, als ihnen Hauptmann Hinrik mit großen Schritten entgegeneilte.
    »Ich dachte mir, dass ich euch hier finde. Kommt rasch! Es hat eine Keilerei unter den Landsknechten gegeben. Die Stadtwache musste die Streithähne gewaltsam auseinanderbringen.«
    »Den Schuss haben wir gehört«, meinte Hippolyt.
    »Oh, den hat einer der Landsknechte abgegeben und seinen Gegner schwer verletzt. Diese Dummköpfe! Als könnten sie es nicht erwarten, sich die nächste Kugel von einem Katholischen einzufangen.« Hinrik rieb über die Narbe an seiner Schläfe. »Es gibt Sturm, das spüre ich. Hier entlang. Man wird sie bereits ins Hospital gebracht haben.«
    Unweit der Rue Réaumur, in der die betuchten Hugenotten lebten, befand sich ein kleines, mit Stiftergeldern finanziertes Hospital. In Friedenszeiten wurden hier Bedürftige kostenlos behandelt, jetzt barsten die schmalen, langgestreckten Räume des zweistöckigen, verwitterten Gebäudes aus allen Nähten. Hinrik, dem weder Kälte noch Nässe etwas anzuhaben schienen, stapfte in seinem gefütterten Wams vorweg. Vor dem Hospital wehrten drei Stadtknechte schreiendes Gesindel ab, das die Treppen hinaufdrängen wollte.

    Einer der Knechte stieß mit dem Fuß nach einem Weib. »Seht zu, dass ihr euch tummelt, Hurenpack! Was lasst ihr euch mit den Soldaten ein, wo ihr doch wisst, wie’s ausgehen kann!«
    Die Hure spuckte aus und schrie: »Wir werden geholt, um die Mistkerle zu bedienen und dafür zu sorgen, dass sie nicht über die braven Bürgersfrauen herfallen, und wenn sie uns dann nicht mal unseren schwer erarbeiteten Lohn geben und uns prügeln, dann ist euch das egal? Zum Teufel! Schämen sollt ihr euch und die feine Königin Johanna dazu! Geizige, frömmlerische Vettel! Ist doch alles ihre Schuld!«
    »Hätte sie die Soldaten bezahlt, wären die Dreckskerle nicht länger hier«, pflichtete ein abgerissen gekleideter Mann bei.
    Hauptmann Hinrik zog sein Schwert, und die Leute wichen zur Seite. Im Hospital sagte der erfahrene Kriegsmann: »Sie haben ja nicht einmal unrecht. Kommt, sie liegen hier unten.«
    Frische Blutlachen auf dem Steinboden wiesen ihnen den Weg. Im Erdgeschoss operierte man die Schwerverletzten, im Keller lagerten die Toten, deren Zahl seit Ausbruch der Fieberepidemie drastisch gestiegen war. Ein junger Mann mit blutverschmierter Schürze trat aus einer Tür zu ihrer Linken, wischte sich die Stirn und wies müde hinter sich.
    Hippolyt und Gerwin banden die Umhänge auf und legten sie auf einen Schemel im Flur, bevor sie in den Saal traten, der einem Schlachthaus glich. Die Pfleger und Helfer, einfache, von den Ärzten angelernte Männer, eilten zwischen den Pritschen und Strohsäcken hin und her, um Wasser zu reichen, Kot und Urin zu beseitigen oder Verstorbene fortzubringen. Auf den vorderen Tischen

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