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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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verwirkt«, sagte Gerwin, ohne aufzusehen.
    »Und wer bist du, über ihn zu richten? Du bist Arzt und hast dich und dein Wissen in den Dienst der Menschen gestellt. Wir retten Leben, wir nehmen es nicht. Rein und fromm werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. Diesen Satz hast du mir nachgesprochen, genau wie viele Generationen von Ärzten vor uns sich an die Leitsätze des Hippokrates hielten.« Hippolyt begutachtete die Naht. »Gut. Jetzt gieß von dem Wundwasser darüber und reibe die Schwellungen in seinem Gesicht ein.«
    Widerwillig gehorchte Gerwin, gestand sich aber ein, dass Hippolyt recht hatte. Franz’ Lider zuckten, und Gerwin befürchtete, in die Augen des Mordgesellen sehen zu müssen. Er drückte Hippolyt den Salbentiegel in die Hand und ging hinaus. Im kalten Korridor setzte er sich auf den Schemel mit ihren Umhängen und barg den Kopf in zitternden Händen.
    Es dauerte nur Augenblicke, bis Hippolyt zu ihm kam und sich neben ihn stellte. »Er schläft. Renal verbindet ihn. Wären wir an der Universität, würde ich dir heute deine Doktorwürde verleihen.«
    Erstaunt hob Gerwin den Kopf.
    Hippolyt grinste schief. »Schneiden, Kurieren, Klistieren, und was wir noch so alles können, ist eine Sache, aber Selbstlosigkeit
und menschliche Größe in Augenblicken größter Zweifel oder Not zu zeigen macht den wahrhaft Berufenen aus. Ich habe mich nicht in dir getäuscht. Komm jetzt, wir gehen frühstücken und trinken einen kräftigen Muskateller. Das belebt dich wieder.«
    Sie griffen nach ihren Umhängen und verließen das Hospital, einen von vielen Orten in und um La Rochelle, an denen sie ihre ärztliche Kunst ausübten. Während sie eine Wirtschaft ansteuerten, in der es um diese Stunde frisches Brot gab, sagte Gerwin: »Und was wird aus Franz? Ich kann nicht einfach vergessen, was er getan hat! Sollte ich ihn nicht einem Gericht vorführen?«
    »Wir sind im Krieg. Die Leute haben andere Sorgen. Das Fieber grassiert. Aber wir können Hinrik einweihen, und dann sollen die Generäle entscheiden, ob sie auf einen Soldaten verzichten können. Mörder sind wohl die meisten von ihnen.« Hippolyt stieß die Tür zum Wirtshaus auf, aus dem der angenehme Duft von gebratenen Eiern und frischem Brot strömte.
    Gerwin folgte seinem Meister in die warme Gaststube, in deren Mitte ein munteres Feuer brannte, an dem auch gekocht wurde. Einfach gezimmerte Tische und Bänke standen entlang den Wänden. Der Qualm und die Dämpfe aus den Töpfen behinderten die Sicht, und so waren sie vollkommen überrascht, als plötzlich jemand rief: »Hier herüber, Junker Rechberg!«
    Die Vergangenheit schien ihn an diesem Morgen zwiefach einzuholen, dachte Gerwin mit wachsendem Unbehagen. Hippolyt schien ähnlich angespannt, doch beide Männer lachten erleichtert auf, als sie den Tisch in der hinteren Ecke der Wirtschaft erreichten, von dem aus ihnen ein schlanker, dunkelhaariger Mann zuwinkte.
    »Seraphin!«, rief Gerwin erfreut und schloss den Freund aus Dresden in die Arme.
    Seraphin drückte ihn fest an sich und umarmte dann Hippolyt. Nachdem sie sich gesetzt hatten, musterte der Medicus Seraphin aufmerksam. »Du bringst keine guten Nachrichten. Jerg?«

    Traurig nickte Seraphin, dessen lange Haare im Nacken zusammengebunden waren. Seine Reisekleidung war staubbedeckt, lederne Hosen und kniehohe Stiefel zeigten an, dass er geritten war. »Er hat es geahnt, noch während ihr dort wart. Vor drei Monaten warf ihn der schwerste Fieberanfall, den ich mit ihm erlebt habe, aufs Lager.« Die dunklen Augen des Tänzers schimmerten feucht. »Er war ein großartiger Mensch. Ich verdanke ihm so viel, und ich habe ihn aufrichtig geliebt.«
    Hippolyt schloss die Augen, drückte seine gefalteten Hände gegen Mund und Nase und holte mehrere Male tief Luft. Als er sich wieder gefasst hatte, fragte er: »Hat er gelitten?«
    »Nein. Wir waren vorbereitet. Er hat zum Schluss zwei Pfeifen am Tag geraucht und ist aus einem seiner Träume nicht mehr aufgewacht.« Seraphin sprach so leise, dass sie Mühe hatten, ihn in der lauten Wirtsstube zu verstehen.
    Eine Magd in einem frischen blauen Kleid bat um ihre Bestellung.
    »Gebratene Eier, Speck, Brot und Grütze und Muskateller für drei«, orderte Gerwin.
    »Jerg hat mich als seinen legitimen Erben eingesetzt«, erklärte Seraphin. »Dabei habe ich es nie gewollt, das Gut oder den Titel.«
    »Was geschah dann, Seraphin?«, fragte Gerwin und sah sich um, doch die übrigen Gäste, zumeist Seeleute,

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