Die Lautenspielerin - Roman
gelaunter und unterhaltsamer Mann. Ihm hatten sie ihre Aufnahme am Hof zu verdanken, und es war seiner unermüdlichen Sorge um Hippolyt zuzuschreiben, dass der gelehrte Arzt sich langsam von seiner tiefen Melancholie befreite, in die er nach der Bartholomäusnacht gefallen war.
Die letzten beiden Takte der Galliarde verklangen. Jeanne legte die Laute auf ihren Stuhl und ging zu Walter, der am Rand der Terrasse auf sie wartete. Sie hatten sich angewöhnt, Deutsch miteinander zu sprechen, die Sprache, die Gerwin und Hippolyt am geläufigsten war.
»Wie geht es der schönen Braut?«, fragte er mit einem warmen Lächeln.
Jeanne errötete. Morgen früh würde sie mit Gerwin in der Schlosskapelle den heiligen Bund der Ehe eingehen. Königin Elisabeth hegte eine starke Abneigung gegen die Genfer Lehre, die in ihrer lutherischen Erziehung begründet war, doch weder Gerwin noch Jeanne hatten Einwände, sich nach dem lutherischen Ritus trauen zu lassen. »Danke, Walter. Gerwin und Hippolyt sind im Kräutergarten. Bringt Ihr Neuigkeiten?«
Walter war eng mit Walsingham befreundet, der aus Paris zurückgekehrt war und sich das Amt des Innenministers mit Sir Thomas Smith teilte. »Es ist wieder ein Schiff mit Glaubensflüchtlingen aus Spanien und Frankreich in London angekommen. Das englische Volk will Maria Stuarts Kopf rollen sehen. Sie nennen sie die Pest der Christenheit. Schließlich ist sie eine Verwandte der Guisen. Nun, ich muss Euch nicht sagen, wofür dieser Name steht!«
Jeannes Miene verdüsterte sich. Sie hatte davon gehört, dass der Bischof von London Elisabeth dazu drängte, ihre Erzfeindin zu töten. Doch diese weigerte sich, eine Königin hinrichten zu lassen. Jeanne warf einen Blick auf die schlanke englische Monarchin, die mit einem ihrer Verehrer flirtete, ohne ihn allzu sehr
zu ermuntern. Diese Frau war klug und mitfühlend. Kurz nach ihrer Ankunft vor acht Monaten hatte Jeanne sie in einem persönlichen Gespräch erlebt und tiefe Zuneigung zu ihr gefasst. »Ich kann die Königin verstehen. Die Medici würde keine Sekunde zögern.«
»Nein, die alte Kröte hätte sofort ihre blutige Unterschrift unter den Hinrichtungsbefehl gesetzt. Sie hat übrigens wieder einen Gesandten geschickt, den Elisabeth jedoch in London warten lässt. Die Medici hat es sich gründlich mit Elisabeth verdorben und sich mit dem Massaker der Bartholomäusnacht ins eigene Fleisch geschnitten. Es ist mehr denn je Elisabeths Ziel, die Franzosen aus den Niederlanden fernzuhalten. Sie will den niederländischen Adel stärken, damit Spanien das Land nicht als Basis gegen England benutzen kann.«
»Da kommt Burghley«, bemerkte Jeanne.
»Der gute Geist«, zitierte Walter Elisabeths Spitznamen für ihren engsten Berater. »Bevor ich es vergesse, liebe Jeanne.« Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie freundlich. »Wenn alles gut geht, dürft Ihr heute Abend eine Überraschung erwarten.«
»Oh, macht es nicht so spannend! Was ist es?«
Walter schüttelte den Kopf. »Dann wäre es doch keine Überraschung! Ah, mein guter Burghley!«, begrüßte er den behäbigen, schwarz gekleideten Staatsmann.
Jeanne ging zurück zum Orchester und beobachtete während des Spielens einen eleganten Tänzer. Auch wenn Gerwin ständig versuchte, sie aufzumuntern, spürte sie doch, dass seine Fröhlichkeit oft nur gespielt war. Die Sorge um das ungewisse Schicksal von Seraphin und Lady Dousabella hing wie eine dunkle Wolke über ihnen. Die Flucht aus Paris und später aus dem ebenso verwüsteten Frankreich hatte Monate gedauert. Monate, in denen sie immer wieder in Lebensgefahr geraten waren, Hunger und Entbehrungen durchlitten hatten und oft an den Rand ihrer Kräfte gekommen waren. Täglich hofften sie auf Nachricht von
Seraphin oder Lady Dousabella, doch niemand schien von den beiden gehört zu haben.
Die Blutnacht von Paris hatte alles verändert. Vor Sankt Bartholomäus hatte sie Hippolyt als Gelehrten, als einen Mann, der immer einen Ausweg oder einen Rat wusste, kennen und schätzen gelernt. Doch das Massaker hatte ihn gebrochen, hatte seinen Glauben an eine bessere Welt zerstört, der ihn ein Leben lang angetrieben hatte. Er konnte nicht verwinden, dass Katharina ihn und seine Bruderschaft verraten hatte. Und was noch schlimmer war: Er verzieh sich nicht, dass er sich von der Medici hatte täuschen lassen.
Michel de l’Hôpital hatte es nicht vor der Bartholomäusnacht nach Paris geschafft und war am Leben geblieben, doch es hieß, er sei
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