Die Lautenspielerin - Roman
Umstehenden beruhigen und in andere Teile des Schlosses bringen sollten. Vorsichtig näherte sich Gerwin dem Leibarzt und hörte ihn ganz in Gedanken versunken murmeln: »Wenn ich sie nicht schon ihrer geschwächten Konstitution wegen behandelt hätte, würde ich Gift vermuten, aber …« Dann bemerkte er Gerwin und fuhr ihn scharf an: »Kein Wort davon. Zu niemandem!«
Gerwin verneigte sich und trat zurück, wo Jeanne ihn neugierig erwartete.
»Was ist mit der Frau? Woran ist sie gestorben?«, fragte Jeanne.
»Das kann man noch nicht sagen.« Aus der Entfernung näherten sich eilige Schritte, und Gerwin sah die hohe Gestalt von Ritter Alnbeck. »Ich muss gehen. Wo kann ich Euch finden, Jeanne?« Sein Gesichtsausdruck war so flehentlich, dass Jeanne den Namen des Wirtshauses nannte. Gerwin lief mit einer unverständlichen Entschuldigung davon.
»Seltsamer Mensch. Du solltest dich nicht mit ihm abgeben«, meinte Endres. »Komm jetzt, Jeanne. Du musst bald spielen und brauchst noch etwas Ruhe und vielleicht eine Kleinigkeit zu essen vor dem Konzert. Außerdem möchte Cosmè uns noch etwas zeigen.«
Der Franzose nickte. »Ich bin mit dem Kommissar Sprenger bekannt, welcher zu den Bewahrern der kurfürstlichen Schätze gehört, und wenn Ihr möchtet, können wir einen Blick in die Wunderkammer werfen.«
»Oh, wirklich? Wundervoll!«, versuchte Jeanne sich zu begeistern.
Der Pariser Kaufmann führte sie in das Dachgeschoss des westlichen Schlossflügels, wo sich über den kurfürstlichen Gemächern fünf Räume befanden, in denen der Kurfürst seine Schätze versammelt hatte. Nach einem knappen Wortwechsel mit dem zuständigen Sekretär ließ man sie eintreten. Cosmè warf einen Blick auf seine Uhr, die er an einer goldenen Kette um den Hals trug. »Wir haben eine Stunde bis zum Konzertbeginn. Da bleibt uns gerade genug Zeit für die Wunderkammer. Ihr werdet es nicht bereuen! In diesem und dem folgenden Raum werden Steine und getrocknete Pflanzen, Werkzeuge und Instrumente aufbewahrt, weiter hinten werden wir Gemälde und Skulpturen, Silberzeug, Pokale und dergleichen sehen.«
Unter ihren Schritten knarrten die Dielen. Bis auf livrierte Diener, welche an den rundbogigen Durchgängen zum jeweils nächsten Raum standen, waren sie allein mit den wertvollen Kunstschätzen.
Vor einem Globus, der auf einem prachtvollen Marmortisch stand, erklärte Cosmè: »Dieser arabische Himmelsglobus wurde vor dreihundert Jahren gefertigt und hat einmal Mohammed ben Muyid el Ordhi gehört. Leider kenne ich mich mit den Gestirnen nicht aus. Seine Königliche Hoheit, der Kurfürst, soll da recht bewandert sein.« Er senkte die Stimme, obwohl es unwahrscheinlich war, dass die Diener des Französischen mächtig waren. »Er und seine Gemahlin beschäftigen sich auch mit der Alchemie. Sie sollen ein richtiges Laboratorium unterhalten, und die Kurfürstin ist eine Gelehrte, was Kräuter und deren Heilwirkung betrifft.«
»Daran ist doch nichts Anstößiges«, meinte Jeanne.
»Wissen ist Macht, aber Wissen ist auch gefährlich, wenn es mit schwarzer Magie in Verbindung gebracht wird. Es gibt zwar immer häufiger Ärzte wie den verstorbenen Paracelsus, die sich auch mit den Metallen und ihren Heilwirkungen befassen, aber
das wird nicht gern gesehen. Die Frommen beherrschen die Welt, ganz gleich, ob sie Heilige verehren oder den Papst ablehnen. Wer gegen die kirchlichen Regeln handelt, ist automatisch im Unrecht. Das ist hier nicht anders als in Frankreich oder Spanien.« Cosmè sah Jeanne an. »Ich wollte Euch keinen Vortrag halten, Euch nur warnen.«
»Das ist nicht notwendig, Monsieur. Ich bin Musikerin, keine Gelehrte. Und wen könnte meine Musik stören?«, erwiderte Jeanne brüsk.
Ihr Vater zeigte auf ein anderes astronomisches Instrument. »Das sieht aus wie eine Uhr mit Planeten.«
Cosmè lächelte nachsichtig. »Das ist eine Ptolemäische Armillarsphäre.« Das mathematische Instrument bestand aus einem Fuß, aus dem eine vergoldete Messingscheibe mit gedrehter Mittelsäule aufstieg. Daran war ein zylindrisches Zwischenstück mit vier Bögen, die den Horizont hielten, befestigt.
»Die Gravuren auf den Ringen bezeichnen die zwölf Tierkreiszeichen, die Tage eines Jahres, die Monate und Himmelsrichtungen in lateinischer Sprache. Die vier großen Kreise - also die beiden Koluren, der Himmelsäquator und die Ekliptik - und die Kleinkreise bilden zusammengenommen die Armillarsphäre, aber es bedürfte eines Gelehrteren, als ich es
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