Die Lautenspielerin - Roman
nicht erhört. Hör zu!«
»Hai fatto sempre i conti con i fatti miei, anche se non lo ammettevi mai, perciò credi che sia io il matto … Credilo pure: io seguo il mio destino« , klagte der Sänger vor seinem erlauchten Publikum, denn in einem vergoldeten Sessel saß niemand anders als die Kurfürstin Anna von Sachsen, umgeben von ihren Hofdamen, die genau wie ihre Herrin verzückt lauschten.
»Würdest du das auch tun, jahrelang um eine Liebe kämpfen?«, flüsterte Seraphin.
»Wenn sie es wert wäre«, antwortete Gerwin, ohne den Blick von der in ihre Musik versunkenen Jeanne zu wenden. Ihre Wangen waren leicht gerötet, die Lippen geöffnet, und er stellte sich vor, wie ihr warmer Atem seinen Mund streifte. Er musste mit ihr sprechen, sich ihr erklären, damit sie die Tiefe seiner Gefühle für sie begriff und auf ihn wartete. Der ältere Franzose, der neben ihrem Vater gestanden hatte, schien Ansprüche auf Jeanne zu erheben, und dem musste er zuvorkommen.
Ein Stoß rüttelte ihn auf. »Es gibt noch manche duftende Rose, die auf dich wartet, nicht nur die eine. Du solltest nicht alles so ernst nehmen, Gerwin. Außer den Zorn eines Ritters und den Hass einer Frau.«
Gerwin erschauerte und berührte seine wunde Lippe.
»Irgendwie mag ich dich ganz gern, obwohl du ein ungehobelter Bursche aus der tiefsten Provinz und ohne jedes Gespür für gesellschaftliche Regeln bist. Es wäre schade um deinen Kopf, der nicht allzu dumm und recht ansehnlich ist. Komm jetzt!«
Aus Seraphins Mund war das ein großes Kompliment, wie Gerwin in den vergangenen Wochen gelernt hatte. Ohne ihre wenigen Habseligkeiten aus dem Quartier zu holen, das Gerwin sich mit Seraphin und zwei weiteren Tänzern geteilt hatte, gingen sie auf direktem Weg in den Stall, sattelten die Pferde, verließen das Schloss und ritten über die Augustusbrücke. Der Elbstrom floss grau und träge in seinem Bett unter ihnen. Wolken waren aufgezogen und verdunkelten den Himmel. Kurze Zeit später ritten die beiden Männer mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen schweigend im dichten Regen nebeneinander her.
Dunkelheit senkte sich bereits herab, und nur ein Waldstück trennte sie noch von Gut Berbisdorf, als Seraphin plötzlich den Kopf hob und in den prasselnden Regen horchte. »Gerwin, gib deinem Pferd die Sporen!«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, preschten aus dem Dickicht zu ihrer Linken drei Berittene und stürmten auf sie zu. Mit verhängten Zügeln galoppierten Gerwin und Seraphin in den Wald. Der Boden war aufgeweicht und die Sicht so schlecht, dass Gerwin bei jedem auftauchenden Schatten befürchtete, ein tief hängender Ast würde ihn vom Pferd schleudern. Er legte sich dicht auf den gestreckten Hals des Tieres, das seinem Instinkt folgte und Hindernissen geschickt auswich. Plötzlich knallte es laut, und eine Kugel zischte dicht an seinem Kopf vorbei. Sein Pferd setzte über einen Bach, und der Wald lichtete sich.
Er glaubte schon, die Lichter von Gut Berbisdorf zu sehen, als ein schnaubendes Pferd neben ihn getrieben wurde und ihn jemand am Ärmel packte. Wütend schlug Gerwin auf die Hand ein, bis diese ihn freigab. Wieder ertönte ein Schuss, er verspürte einen brennenden Schmerz in der Schulter und musste alle Kraft zusammennehmen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dabei gelang es ihm nicht mehr, auf herabhängende Zweige zu achten, und ein kräftiger Ast warf ihn rücklings zu Boden.
Als er die Augen aufschlug, sah er Seraphins besorgtes Gesicht und das eines jungen Mannes, den er nicht kannte. Er war schwarz gekleidet und hielt eine Fackel. »Er ist erwacht. Die Wunde am Arm blutet stark, ist aber nicht lebensbedrohlich. Soll mein Herr nach ihm sehen, wenn Ihr in Berbisdorf seid?«
»Nicht nötig. Wir haben einen hervorragenden Medicus bei uns. Dank Euch für Euer tatkräftiges Eingreifen, ohne das wir wohl kaum noch am Leben wären«, sagte Seraphin.
Gerwins Arm pochte, und sein Schädel schien enorme Ausmaße angenommen zu haben. Er stöhnte auf. »Was ist denn geschehen?«
»Man ist uns gefolgt, aber der gute Engin und seine Männer haben es bemerkt und sind uns gerade im rechten Moment zu Hilfe gekommen.« Seraphin half Gerwin beim Aufstehen, der nun drei weitere soldatisch gekleidete Männer hinter Engin entdeckte.
»Wir standen vor dem Schloss und haben beobachtet, wie euch drei Gestalten folgten. Es hat eine Weile gedauert, bis wir euch eingeholt hatten, weil wir unsere Befehle abwarten mussten«, sagte Engin
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