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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sei ihr Vater während der vier Tage, die sie im Gefängnis verbracht hatte, um Jahre gealtert. Die Linien um Mund und Nase schnitten tiefer in die Haut, die Augen blickten ernst und sorgenvoll. Um ihm einen Gefallen zu tun, versuchte sie zu schlafen, doch zu vieles war geschehen in den letzten Tagen und Wochen. Während sie entlang des Erzgebirges Richtung Westen fuhren und dabei durch Dörfer kamen, die sie an Helwigsdorff erinnerten, dachte sie an das Froehnerhaus.
    Ob Thomas noch lebte? Sie schluckte. In stillschweigendem Einvernehmen hatten Endres und sie nie wieder über ihn gesprochen. Jeanne wusste, dass ihrem Vater die dramatische Wendung der Ereignisse sehr nahe ging, weil er sich einen Großteil der Schuld daran zuschrieb.
    Der Himmel war bedeckt, erste Regentropfen trafen sie durch das offene Wagenfenster. Auf dem Kutschbock saß ein wettererprobter Mann mit stoischer Miene, gefolgt wurde der Wagen von zwei bewaffneten Knechten, die Cosmè in Dresden angeheuert hatte. Die Rückkehr in ihre Heimat hatte sie sich anders vorgestellt, und obwohl sie diesmal komfortabel reisten und kaum Entbehrungen zu fürchten hatten, war ihre Freude getrübt. Die bevorstehende Heirat hing wie ein Damoklesschwert über ihr. Und jetzt, da es zu spät war, bereute sie, dass sie Gerwin gegenüber so abweisend gewesen war. Zumindest anhören hätte sie ihn können. Sie dachte an den kurzen intimen Moment im Gang des Dresdner Schlosses und seufzte. Unter gesenkten Wimpern musterte sie Cosmè, doch er atmete den gleichmäßigen Rhythmus des Schlafenden.
    Die erste Nacht verbrachten sie in einem kleinen, verhältnismäßig sauberen Wirtshaus in Meerane, bevor es am nächsten
Morgen in aller Frühe weiterging. Gegen Mittag rasteten sie in einem Marktflecken, der an einem Nebenarm der Saale gelegen war. Als sie wieder den Namen des Flusses hörte, nach dessen Überquerung sie getraut werden sollte, wurde Jeanne schweigsam. Auch der Kauf mehrerer Kleider, darunter ein Reise- und das Brautkleid sowie ein pelzverbrämter Mantel, konnte ihre Stimmung nicht heben. Ihrem Vater gegenüber zeigte Cosmè sich ebenfalls großzügig und schenkte Endres neue Hosen, lederne Stiefel und ein besticktes Wams.
    Als sie das Geschäft des Schneiders verließen, herrschte auf dem Marktplatz buntes Treiben.
    »Geht schon ins Wirtshaus, ich will mir noch kurz die Spitzen dort hinten ansehen«, sagte Cosmè und verschwand in der Menge.
    Endres nahm den Arm seiner Tochter und geleitete sie an frischen Dunghaufen vorbei. Ein Fischverkäufer schrie sich die Lunge aus dem Leib, um seine Flussfische anzupreisen.
    Endres lächelte Jeanne zaghaft an. »Du wirst es gut haben mit ihm und keine Not leiden. Nie wieder Krautsuppe!«
    Sie lächelte tapfer: »Ich freue mich auf Paris, Vater. Dort fangen wir neu an. Du richtest dir eine Werkstatt ein und bekommst ganz sicher viele Aufträge. Und wer weiß, vielleicht spiele ich schon bald für die Königinmutter.« Sie hatte den Kerker überlebt, da würde sie vor dem Louvre keine Angst haben.
    Am nächsten Tag erreichten sie Eichicht, eine kleine Siedlung direkt an der Saale. Das dortige Gasthaus war kaum mehr als ein schmutziger großer Raum mit einer riesigen Feuerstelle in der Mitte, um die sich die Gäste auf ihren Strohsäcken niederließen. Jeanne vermeinte, die Wanzen aus ihren Ritzen kriechen zu sehen, nachdem die Leute eingeschlafen und vom Feuer nur noch glühende Scheite übrig waren. Sie verbrachte die Nacht damit, nach dem Ungeziefer zu schlagen oder sich zu kratzen.
    Am nächsten Morgen konnte sie sich notdürftig an der Pferdetränke
säubern und war froh, als sie wieder im Wagen saßen. Die Reise führte sie nach dem Überqueren der Saale an einer Furt durch den Thüringer Wald. Einige kleine Dörfer schienen belebt und recht wohlhabend. Cosmè erklärte: »Die Bewohner hier fertigen Glaswaren an, die zum Teil mit den böhmischen Erzeugnissen konkurrieren können.«
    Glas war kostbar, und auch wenn man immer öfter verglaste Fenster sah, so waren Gläser im Haushalt ein Luxus, den sich nur Wohlhabende leisteten.
    »Fahrt Ihr auch nach Böhmen, um Waren einzukaufen?«, fragte Endres.
    »Nach Böhmen und Ungarn, allerdings war das durch den anhaltenden Krieg mit den Osmanen in letzter Zeit schwierig. In den Krisengebieten um Vasvár über die Donau hinweg bis Eger flammen immer wieder Kämpfe auf, und es ist riskant, dort Waren zu transportieren. Ob sie ihren Bestimmungsort erreichen, kann man nie genau

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