Die Lautenspielerin - Roman
alle Fröhlichkeit verneinenden Prediger und Hexenverfolger. Dabei sind sie selbst nicht besser«, sagte Cosmè ernst.
»Ich hätte das alles nie für möglich gehalten …« Endres wirkte niedergeschlagen, und Jeanne wusste, dass er an Afra und ihre Familie dachte.
Doch der Kaufmann deutete die Bemerkung anders: »Doch, doch, nicht anders als Calvin beziehen sich die Lutheraner auf eine Aussage im Alten Testament. Im Exodus heißt es, dass Zauberinnen nicht am Leben gelassen werden sollen. Ich habe eine Predigt gehört, in der sie aus Schriften von Luther zitiert haben, der davon überzeugt war, dass Hexen Kinder und Milch verzaubern, Leuten Krankheiten anhexen, Beschwörungen anstellen, um Hass, Unwetter, Verwüstungen auf dem Acker und im Haus herbeizuführen, und dergleichen mehr. Und natürlich hätten Hexen Umgang mit Satan und seien deshalb zu töten.«
»Das habt Ihr in einer Predigt hier in Dresden gehört?« Jeanne war erstaunt, dass Cosmè sich die Mühe machte, überhaupt eine lutherische Kirche zu besuchen.
»Nicht in Dresden, in einer Dorfkirche im Umland von Göttingen.
In der Gegend war es zu einigen Hexenprozessen gekommen, und die Leute waren ganz wild darauf, über Teufelsbuhlschaften und Hexenproben zu sprechen. Mich hat derlei Geschwätz von jeher abgestoßen, weil es von Dummheit und Gehässigkeit zeugt.«
»Ich bin froh, dass Ihr das so seht. Engstirnigkeit und zu große Frömmigkeit haben noch nie zu etwas Gutem geführt«, sagte Jeanne und streifte ihren zukünftigen Ehemann mit einem Lächeln, das jedoch erstarb, als sie seine Erwiderung hörte.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich Frömmigkeit verurteile. Tugendhaftigkeit und Anstand sind gerade für eine Frau die allerwichtigsten Voraussetzungen, um ein gottesfürchtiges Leben zu führen. In einigen Punkten stimme ich durchaus mit Calvin überein, so halte ich Arbeit für den von Gott vorgegebenen Selbstzweck des Lebens, langen Schlaf demgemäß für Zeitverschwendung und dies wiederum für eine Sünde. Auch Prasserei ist eine Sünde, deren ich mich nicht schuldig machen will, und so werdet Ihr meinen Haushalt angemessen ausgestattet, aber durchaus nicht luxuriös finden.« Jetzt war es an Cosmè zu lächeln, denn Jeanne und auch ihr Vater schienen befremdet. »Aber als guten Hugenotten, die Ihr seid, sage ich Euch nichts, was Ihr nicht schon kennt.«
Unter ihrem Umhang drückte Endres die Hand seiner Tochter. »Das sind doch alles Selbstverständlichkeiten, über die wir keine großen Worte machen müssen.«
»Musik ist etwas Gottgefälliges«, sagte Jeanne und sah ihm fest in die Augen.
Cosmè hob eine Braue. »Der Aufenthalt unter Lutheranern hat Euch anscheinend mehr geprägt, als gut ist. Ich rufe Euch gern die Doktrinen unseres großen seligen Calvin ins Gedächtnis, der beschied, dass Musik einzig dem Gebet dient. Tanz ist gotteslästerlich.«
Jeanne starrte ihn entsetzt an.
»Doch Eure Bemerkung erübrigt sich, denn ich hätte wohl kaum um die Hand einer begabten Lautenistin angehalten, wenn ich Musik nicht sehr schätzen würde, nicht wahr?« Cosmès Lächeln war zuckersüß, doch es erreichte seine Augen nicht.
Die glatte Oberfläche war nur Fassade und seine Freundlichkeit berechnend. Das war Jeanne mittlerweile klar. Sie schluckte eine weitere Bemerkung hinunter und beschloss, dem zukünftigen Gatten mit mehr Vorsicht zu begegnen. Sie fügte sich in diese Ehe aufgrund der Denunzierung, und weil die Kurfürstin es angeordnet hatte. In allererster Linie wollte sie ihrem Vater eine gehorsame Tochter sein, und diese Heirat stellte Endres’ und ihre wirtschaftliche Versorgung sicher. Der Wagen ruckelte über die unregelmäßigen Pflastersteine, als könnte jeden Moment die Achse brechen.
»Erzählt mir von Eurer Familie, Cosmè. Was machen Eure Söhne?«, fragte sie daher höflich. Sie wusste bislang nur, dass der Witwer zwei Söhne hatte, von denen einer verheiratet war.
»Baptiste ist in Eurem Alter und lernt das Gewerbe in meinem Kontor, während Arnauld auf meinen Besitzungen in der Champagne lebt und dort die Geschäfte leitet. Er ist mit der Tochter eines Grafen verheiratet. Charles de Bahuet ist ein entfernter Cousin von Quélus«, konstatierte Cosmè stolz.
»Ah«, meinte Jeanne, die nicht wusste, wie sie die Namen einordnen sollte.
Ihr Vater jedoch kniff die Augen zusammen, wie er es immer tat, wenn er sich konzentrierte und leicht verärgert war. »Quélus ist doch Katholik, oder nicht? Und ist er nicht
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