Die Lautenspielerin - Roman
sagen.«
»Ist das Risiko nicht ein Reiz Eures Berufsstands?«, warf Endres ein.
»Für Zunftgenossen, die gern spekulieren, sicher, aber nicht für mich. Vielleicht mache ich dadurch weniger Gewinn, doch ich kann mir dessen, was ich erwirtschafte, sicher sein. Denkt nur an die große Bankiersfamilie der Fugger in Augsburg. Über Generationen waren sie mächtig und einflussreich und haben den Großen in ganz Europa Kredite gewährt.« Cosmè beugte sich vor und unterstrich seine Worte vehement mit den Händen. Anscheinend hatte Endres einen Nerv getroffen. »Allein mit dem Silberhandel haben sie in wenigen Jahren vierhunderttausend Gulden Gewinn erzielt. Nicht nur dem Kaiser haben sie Kredite gewährt, auch den Königen von Ungarn, Schweden, Frankreich, den Kurfürsten und den Päpsten. Ha, doch wie dankten die großen Herren den Bankiers ihre Dienste? Indem sie die Kredite spät oder gar nicht tilgten. Die Habsburger unter Karl V. waren die Übelsten, zahlten
ihren Schuldenberg nie zurück. Philipp, unser verhasster Spanier, ist keinen Deut besser als sein Vater und erklärte sein Land vor zwölf Jahren für bankrott. Der König von Spanien meldet Staatsbankrott, und erledigt hat es sich mit den Schulden! Und wo stehen die Fugger heute? Kaum besser da als zu Beginn ihrer Karriere, die sie als kleine Kaufleute begannen. Jetzt sind sie selbst auf Kredite angewiesen! Nein danke, ich lehne allzu viel Risiko ab.«
»Brav gesprochen, und ich weiß meine Tochter unter dem Schutz eines besonnenen Mannes«, meinte Endres wohlwollend.
Cosmè nickte. »Es wird Euch sicher freuen zu hören, dass wir bald Gehren, nicht weit von Ilmenau, erreichen werden. Hier haben sich einige Anhänger der Lehre Calvins angesiedelt.«
»Ich dachte, die Kurpfalz wäre das Zentrum der deutschen Anhänger Calvins?«, bemerkte Endres, der sich an das Bekenntnis der Kurpfalz zum Heidelberger Katechismus vor sechs Jahren erinnerte.
»Kurfürst Friedrich III. ist unser wichtigster Verbündeter in deutschen Landen und eine große Hilfe in unserem Krieg auf französischem Boden, das ist zweifelsohne richtig. Doch es gibt immer wieder Enklaven mit Glaubensbrüdern, die sich aufgrund toleranter Landesfürsten behaupten können. Wie lange noch, vermag niemand zu sagen.« Er schenkte Jeanne ein warmes Lächeln. »Heute Nacht werden wir unsere Häupter unter dem Dach von guten, gottesfürchtigen Menschen auf sauberes Leinen betten können.«
Jeanne zuckte zusammen, denn sie ahnte, was kommen würde. »Die Familie von Matthias Marschede ist mir aus Paris bekannt, wo Marschedes seliger Vater vielerlei Geschäfte betrieben hat. Wenn Ihr befürchtet habt, werte Jeanne, dass ich Euch heimlich in einer schäbigen Pfarrei ehelichen würde und Ihr die Hochzeitsnacht in einem verlausten Wirtshaus verbringen müsstet, kann ich Euch beruhigen. Monsieur Marschede wird uns herzlich aufnehmen. Ich habe uns bereits vor Tagen angemeldet.«
»Wozu diese Umstände? Wollt Ihr denn Eure Familie nicht
dabeihaben? Warum heiraten wir nicht in Paris?«, brach die Frage aus Jeanne heraus, die ihr schon seit Tagen auf der Seele lag.
»Jeanne!«, kam es vorwurfsvoll von ihrem Vater.
»Lasst nur, ich kann sie verstehen.« Cosmè beugte sich vor, nahm Jeannes Hand und sah ihr tief in die Augen. »Ich bin seit einem Jahr Witwer, und es war meine Absicht, mich neu zu vermählen. Nun hat das Schicksal uns unter diesen außergewöhnlichen Umständen zusammengeführt. Umständen, denen ich dankbar bin, obwohl es Euch vorkommen muss, als wäret Ihr ein Spielball der Wogen. Doch es ist Gottes Fügung, dass es in meiner Macht lag, Euch aus dem Kerker zu befreien, um Euch und Eurem Vater ein neues Leben in der Heimat zu ermöglichen.«
Sie widerstand dem Drang, ihm die Hand zu entziehen. Er versteckte seine Begierde hinter Gottesfurcht, doch die Augen konnten seine wahren Absichten nicht verbergen. Jeanne kannte diesen Ausdruck von Franz. »Hat Vater Euch von der Familie meiner Mutter erzählt?«, warf sie ihren letzten Trumpf in die Waagschale.
Endlich gab Cosmè ihre Hand frei. Seine Miene spiegelte Überlegenheit. »Natürlich. Es gibt keine Geheimnisse zwischen uns. Die sollte es ohnehin nicht geben zwischen Eheleuten.« Das klang wie eine Drohung.
»Mütterlicherseits bin ich eine de Bergier, und mein Onkel ist mitschuldig an der Ermordung von François de Guise.«
Der Wagen fuhr eine Steigung hinauf und zwang die Insassen, sich festzuhalten. Jeanne fiel nach vorn und fing
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